Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
überhaupt sein eigenes Land, fragte ich mich. Denn wenn der Minister es kennen würde, dann würde er etwas gegen den Braindrain hochqualifizierter Deutscher mit Migrationshintergrund aus Deutschland tun, vielleicht mit einer Rückkehr- oder Bleibeprämie. Aber mit vier Legislaturperioden auf dem Buckel ist man wahrscheinlich politisch gesättigt und verwöhnt. Um seine Zukunft und Altersversorgung braucht sich der Wirtschaftsminister keine Sorgen mehr zu machen. Er ist abgesichert, und wenn es eines Tages anfangen sollte, unaufhörlich zu regnen, so werden bei ihm stets Sommer, Sonne und Heiterkeit herrschen.
Im Gegensatz zum Wirtschaftsminister mache ich mir Sorgen um meine Zukunft und ganz besonders um das Ziel, die Anzahl der Koreaner in Deutschland zu vergrößern. Wenn immer mehr hochqualifizierte Deutsch-Koreaner auswandern, dann sehe ich die Gefahr, dass wir unser Ziel verfehlen, so, wie die UNO mit ihrer Millenniumkampagne die Armut bis 2015 drastisch verringern möchte. Vielleicht werde ich einen Antrag bei Samsung oder Hyundai stellen, mit der Bitte, etwas weniger Werbung für die Fußballweltmeisterschaften und den englischen Premier-Club FC Chelsea zu tun und mit dem eingesparten Geld junge, potente koreanische Männer nach Deutschland zu locken. Selbstverständlich würden diese dynamischen koreanischen Männer auch als Markenbotschafter für Samsung und Hyundai zur Verfügung stehen.
Unbemerkt von der deutschen Gesellschaft ist die Zahl der koreanischen Kirchengemeinden auf über 60 gestiegen. Mittlerweile gibt es bundesweit über 40 koreanische Sprachschulen. Am 15. August feierten die Koreaner, wie in jedem Jahr, in Deutschland ihren Unabhängigkeitstag. Nachdem der Ramadan in aller Munde war, blieb der koreanische Chuseok , das Erntedankfest, weitgehend unbeachtet. Kurz zuvor ließen sich Scharen von Politikern beim Fastenbrechen in türkischen Gemeinden ablichten, doch es ließ sich keiner von ihnen in einer koreanischen Gemeinde blicken.
Das Forum der Koreaner in Deutschland, ein bundesweites Netzwerk für junge koreanische Führungskräfte der zweiten Generation, hat sich mangels Mitgliederzahl aufgelöst. Viele hat es aus beruflichen Gründen ins Ausland verschlagen. Den Wechsel vom Gastarbeiter zum Akademiker schaffte man noch innerhalb einer Generation, doch den Sprung in den deutschen Arbeitsmarkt schaffen die wenigsten. In der leistungsorientierten koreanischen Gesellschaft redet man ungern über Niederlagen. So schweigt man aus Scham über Absagen und Ablehnung, die man als hochqualifizierter Akademiker im Arbeitsmarkt tagtäglich erlebt. Aber je höher die Zahl der hochqualifizierten Koreaner wird, die Ablehnung erfahren, desto lauter wird ihre Stimme des Unmuts in der Gesellschaft.
Trotz Ortsabwesenheit werden Felix und ich an der Umsetzung eines Dokumentarfilmes über die erste Generation der Koreaner in Deutschland arbeiten. Er soll den Titel »Aufbruch und Wandel: Die Koreaner in Deutschland – eine lautlose Generation« tragen und bis zum 50. Jubiläum im Jahre 2013 fertiggestellt sein. Der deutsche Botschafter in Seoul hat uns seine Unterstützung zugesichert.
Staatsministerin Böhmer, die seit 1990 dem Bundestag angehört, zog Bilanz über ihre Integrationspolitik während der 16. Wahlperiode (2005-2009). Mit der Erstellung des Nationalen Integrationsplans, so erklärte Böhmer, habe sie die Integrationspolitik auf eine neue Grundlage gestellt und damit einen Weg geschaffen, der zur Verbesserung der Bildungs- und Arbeitsmarktchancen, Stärkung der Gleichberechtigung sowie zur Kultur- und Wissenschaftsbildung führen soll. Deutschland befinde sich in einer integrationspolitischen Aufbruchsstimmung, propagierte Böhmer.
Doch Böhmer hat bei allen Seitenhieben, die sie von Migrantenverbänden und der Opposition bekam und immer noch bekommt, ihren Humor nicht verloren. Auf die Anfrage einer besorgten Person aus ihrem Wahlkreis antwortete Böhmer: »Ob Deutsche beschimpft werden, oder Deutsche Ausländer beschimpfen: Beides ist unerträglich! Wir sollten das eine nicht gegen das andere ausspielen, sondern in beiden Fällen dagegenhalten, im Zweifelsfall die Polizei rufen.«
Nach der Konferenz im Schloss Bellevue traf ich Böhmer zufällig bei der Post im Bundestag an. Sie erinnerte sich an mich, wie sie mir sagte. Ich wusste nicht genau, wie Böhmer es meinte. Ich bewarb mich für eine Stelle als Referent in ihrem Büro, weil ich im Bereich Integration arbeiten möchte. Ihre
Weitere Kostenlose Bücher