Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
die mich partout nicht in den Schlaf entlassen wollten. Im Dezember 2013 werden es genau 50 Jahre her sein, dass die ersten koreanischen Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Aber was weiß man schon über Koreaner in Deutschland?
Im Dezember 1963 kam es zur ersten Vereinbarung über eine vorübergehende Beschäftigung koreanischer Bergarbeiter im deutschen Steinkohlebergbau. Man wollte die Koreaner erst gar nicht. Aber die Bergbauindustrie brauchte sie dringend. Mein Vater wird am 5. Januar 2013 seinen 72. Geburtstag feiern. Er ist alt geworden, wie alle seiner Generation, die in den Sechzigerjahren kamen und in deutschen Kohlebergwerken schufteten. Viele seiner koreanischen Freunde in Deutschland haben ihren 70. Geburtstag nicht mehr erlebt. Von Jahr zu Jahr mehren sich die Todesanzeigen in der Kyoposhinmun . Ich hoffe, dass sie in Frieden ruhen, auch wenn sie in deutschem Boden begraben sind, der für viele nie wirklich zur Heimat wurde. Das Leben bestand nur aus Arbeit und konzentrierte sich auf die Kinder, denen es einen Weg zu ebnen galt, der sie in eine bessere Zukunft führen sollte.
Als wir das Licht der Welt erblickten, die ersten freien Schritte alleine machten, die ersten Wörter holprig aussprachen, aufgeregt zum ersten Schultag gingen, waren die Eltern stets dabei. Sie waren es immer und sind es auch heute noch: der berühmte Fels in der Brandung. Der Gedanke daran, dass sie einmal nicht mehr da sein werden, ist für mich unvorstellbar. Ich gestehe, dass ich mich vor diesem Tag fürchte, und kann mir trotz physischer und emotionaler Härte meine Tränen nicht verkneifen, während ich diese Zeilen schreibe. Ich kann mir eine Welt ohne sie nicht vorstellen. In meiner Welt sind meine Eltern unsterblich und mit Superkräften ausgestattet. Aber all das ist reine Illusion und Verdrängung von Realitäten. Alles in diesem Leben ist vergänglich. Wenn der Mensch eines gut kann, dann ist es das Verdrängen.
Es beschämt mich, wenn ich darüber nachdenke, dass mir meine Eltern alles bis auf ihr letztes Hemd gegeben haben, damit ich meine Träume und Ziele verwirklichen konnte. Ich möchte ihnen so viel wie möglich zurückgeben, ihnen ihre Sorgen nehmen, und habe Angst, dass es zu spät sein kann, wenn es mir möglich ist. In der globalisierten Welt hat sich die Technik so rasant entwickelt, dass sie möglicherweise die Menschlichkeit in einen Infarkt legte, von dem wir uns nun in langsamen Rehabilitierungsmaßnahmen erholen.
Integration ist nicht nur Sprache und Bildung. Es ist eine Querschnittsaufgabe, die auch die erste Generation Koreaner in Deutschland umfasst, ebenso wie alle anderen Gastarbeiter der ersten Stunde auch. Auch viele ehemalige koreanische Gastarbeiter sind von Altersarmut betroffen. Die meisten koreanischen Bergarbeiter sind schon lange im Ruhestand. Viele koreanische Krankenschwestern gehen ihrem Beruf noch nach. Seit einiger Zeit werden die koreanischen Krankenschwestern vermehrt Opfer von Schikane und Mobbing am Arbeitsplatz. Doch diese Dinge werden in der Gesellschaft nicht thematisiert.
Meine Nichte Emma wird im 50. Jubiläumsjahr der Koreaner in Deutschland sechs Jahre alt sein. Einen koreanischen Namen hat Emma nicht. Es kommt mir wie gestern vor, als Emma geboren wurde. Sie kann bereits koreanische Volkslieder wie »Santoki (Hase)« oder »Nabi-ya (Schmetterling)« singen. Ihren Opa nennt Emma »Habi«, weil sie das koreanische Wort für Opa »Harabogi« noch nicht aussprechen kann. Ihre Oma nennt sie nur »Halmi«. Mich nennt sie »Samchi« für Onkel. Nur Tante »Imo« kann sie korrekt aussprechen. Emma hat mich auch schon in Berlin besucht. Dabei hat sie mir Andenken hinterlassen in Form von übelriechenden Pampers. Leonard, der Sohn von meinem Freund Felix, wird im Jahr 2013 drei Jahre alt sein. Leonard hat zusätzlich einen koreanischen Namen, Seong-min. Ein prächtiger Berliner Junge, der alles, was er in die Hände bekommt, runterreißen will. Dafür ist Leonard Seong-min in der richtigen Stadt. Wenn ich Emma Maria und Leonard Seong-min fröhlich gedeihen sehe, stelle ich mir die Frage, ob sie einst als Deutsche koreanischer Herkunft akzeptiert werden oder immer noch an Grenzen stoßen wegen ihrer Herkunft, wie es meine Generation größtenteils noch erlebt?
Wie wird es mit den Koreanern in Deutschland weitergehen? Werden wir ankommen und uns von unseren koreanischen Wurzeln verabschiedet haben, oder werden wir ankommen, ohne uns davon zu verabschieden? Werden wir Koreaner
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