Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
Ehrenfeld! Bleiben Sie doch mal kurz stehen, damit ich sie mal von vorne und von hinten betrachten kann.«
Udo, der bemüht war, beim ersten Treffen einen guten Eindruck zu hinterlassen, trug die Aufforderung mit Fassung.
»Wissen Sie, ich habe eine koreanische Frau. Ich wollte nur mal sehen, wie mein Kind in späteren Jahren möglicherweise aussehen wird!«, rechtfertigte sich der Personalleiter gegenüber seinem potenziellen Mitarbeiter, der gute Miene zum bösen Spiel machte.
Bei einem Seminar in Bad Staffelstein erzählte mir eine Koreanerin, dass ihr deutscher Ehemann sie dazu dränge, seinen Nachnamen anzunehmen. Für sie kam das nicht in Frage. Sie wollte weiter ihren koreanischen Namen führen. Das Argument ihres Mannes war, der deutsche Name sei von Vorteil, da man potenziellen Arbeitgebern damit signalisiere, dass sie über eine Arbeitserlaubnis verfüge.
Eine dreifache koreanische Mutter, die mit einem deutschen Mann verheiratet und deren Kinder allesamt deutsche Vornamen und einen deutschen Nachnamen tragen, erzählte mir einmal von einem Erlebnis während eines Elternsprechtags: Der deutsche Lehrer staunte nicht schlecht, als sie das Klassenzimmer betrat. Selbstbewusst sagte sie: »Ich bin die Mutter von Hans Müller!«
Der Lehrer, sichtlich erstaunt, ja nahezu geschockt, seine Kinnlade fiel herunter, entgegnete ihr: »Wirklich? Ich wüsste nicht, dass Hans eine asiatische Mutter hat.«
»Aber ich bin tatsächlich die Mutter von Hans. Ich war schließlich bei der Geburt meines Sohnes dabei!«, verteidigte sie sich tapfer.
In Deutschland hat schon längst ein Prozess der Hierarchisierung von Migrantengruppen eingesetzt in »the good, the bad and the ugly«. Die Guten, das sind die Vietnamesen und die Koreaner, die Schlechten die Araber und die Türken. Die einen sind angeblich integrationswillig, die anderen nicht. Leider ist es keine Fußball-Bundesliga-Tabelle, durch die den Koreanern und Vietnamesen eine automatische Teilnahme an der Champions-League garantiert wäre.
Manche Politiker machen es sich mit der Hierarchisierung viel zu einfach. Das Leben ist bekannterweise schon kompliziert genug. Aber mit dieser Einstellung schotten sich die Politiker immer weiter von der realen Welt ab, so dass man sich die berechtigte Frage stellen muss, wer von uns in einer Parallelwelt lebt. Gerade bei Diskussionen zum anonymisierten Bewerbungsverfahren wird das deutlich. Viele ernannte beziehungsweise selbsternannte Integrationspolitiker erzählen von Ali oder Mehmet, Murat und Ays¸e, Fatima und Mohammed, die keinen Job bekämen, weil Peter und Hans, Anna und Alexander oder Christine und Klaus bevorzugt würden. Ich selbst trage einen deutschen Vornamen, verpackt in einer asiatischen Hülle. Meine Freundin Dani hat eine deutsche Bekannte mit Nachnamen Ölke, die bei der Jobsuche erhebliche Schwierigkeiten gehabt habe, obwohl sie über keinerlei türkische Wurzeln verfüge. Ich erinnerte mich daran, dass der ehemalige Fußballnationaltorwart Oliver Kahn und die Tennisspielerin Martina Hingis kurze Zeit ein Paar waren. Leider ist nie mehr daraus geworden. Man stelle sich vor, wenn der Fußballtitan und die slowakischstämmige Schweizerin geheiratet hätten. Aus den beiden wäre Hingis-Kahn geworden, ein Name, der nicht nur in Europa für Furore gesorgt, sondern die ganze Welt das Fürchten gelehrt hätte. Die Franzosen haben es mit Dominik Strauss-Kahn vergeblich versucht und die Japaner mit Naoto Kan. Der eine scheiterte wegen Frauengeschichten, und der andere schmiss das Handtuch.
Das erinnert mich an Johannes, einen einheimischen deutschen Mitarbeiter in der neu eröffneten Ikea-Filiale in Lichtenberg. Auf seinem Namensschild stand neben Johannes auch der vietnamesische Familienname Ngyuen. Das verwirrte mich ein wenig. In meinem Kopf spielten sich Szenen ab, wie er wohl an seinen Nachnamen gelangt war: Entweder war er von liebevollen vietnamesischen Migranten adoptiert worden, oder aber er war schlichtweg ein Kuckuckskind. Um Gewissheit zu erlangen, fragte ich ihn höflich, ob er Vietnamesisch spreche.
»Nein«, antwortete er. »Sie fragen mich wahrscheinlich wegen meinem Namen. Den habe ich meiner vietnamesischen Frau zuliebe angenommen.«
Asiatische Frauen drücken deutschen Männern ihren Stempel auf, dachte ich mir und ging nach Hause. Als ich die Straße überqueren wollte, fuhr eine Straßenbahn vorbei, auf der der schwedische Möbelhersteller mit dem Slogan warb: »Vielfalt auf der ganzen Linie«
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