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Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Titel: Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hyun
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Chruschtschow. Der Nachhall seiner Schuhabsätze ist in New York immer noch zu hören.
    Mein Freund Sang-bong rief mich vor ein paar Tagen an. Er habe die Schnauze voll und wolle alles hinschmeißen. Ob er zufälligerweise von der koreanischen Turnschuhfirma Pro-Specs kontaktiert worden sei, wollte ich wissen. Sang-bong verneinte, fragte, was meine dumme Frage solle, und erzählte frustriert von seinem Bewerbungsgespräch mit dem Deutschen Olympischen Sportbund für die Stelle im Referat Internationales. »Die Stadt München bewirbt sich um die Olympischen Winterspiele 2018, und das koreanische Pyeongchang auch. Werden Sie nicht in Interessenskonflikte geraten, sollten Sie diese Stelle bekommen?«, fragte ihn die Referatsleiterin. Sang-bong wollte die Referatsleiterin schon korrigieren, weil sie Pyeongchang wie Pjongyang aussprach, die Hauptstadt Nordkoreas, ließ es aber bleiben. Auch der Nachrichtensprecher vom Deutschlandfunk hatte Pjongyang schließlich als Bewerber der Spiele 2018 genannt. Als ich das hörte, sprang ich voller Freude auf, die Wiedervereinigung vor Augen. Ich wollte schon die Sektkorken knallen lassen. Sicherheitshalber googelte ich schnell, ob sich die Hauptstadt Nordkoreas wirklich um die Winterspiele beworben hatte. Das wäre eine Sensation gewesen, ein großer Sprung nach vorn. Doch überall las ich nur Pyeongchang, so sehnsuchtsvoll meine Augen auch nach Pjongyang suchten. Pyeongchang mit Pjongyang zu verwechseln, das ist wie Köln mit Düsseldorf zu vertauschen. Stellen Sie sich vor, wie viele Koreaner an diesem Tag Freudentänzchen machten und ihr letztes Geld für Schampus rausschmissen, nur um später enttäuscht zu werden!
    Bei den Öffentlich-Rechtlichen wundert mich nichts mehr. Während einer Live-Übertragung von den Olympischen Spielen in Beijing hatte ein ZDF-Moderator die Siegerehrung der chinesischen Turnerinnen kommentiert. Dabei verlor er kein gutes Wort über die Athletinnen. Er kritisierte das zu junge Aussehen der Sportlerinnen und sagte: »Vielleicht rechnen die Chinesen einfach manchmal nach Hundejahren, sie essen die Vierbeiner ja auch gern!« Schlimmer aber noch waren die spanischen Basketballer, die sich in Vorfreude auf ihre Olympiateilnahme im Reich der Mitte mit Schlitzaugen für eine Werbekampagne präsentierten. Schlitz augenscheinlich hat es geholfen, denn sie gewannen die Silbermedaille.
    Der Fehlerteufel schlich sich auch bei der renommierten Schweizer Zeitung Blick ein. Dort wurde der koreanische Popstar Kim Jong-woon von der Band Super Junior als dritter Sohn des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-il vorgestellt. Kim Jong-ils dritter Sohn trägt zufälligerweise denselben Namen wie der Popstar, der in Südkorea eine kleine Schockwelle auslöste. Die Nordkoreaner haben die südkoreanischen Medien infiltriert.
    Aber zurück zu Sang-bongs Bewerbungsgespräch. Genervt, weil er die Loyalitätsfrage nicht zum ersten Mal gestellt bekam, antwortete Sang-bong: »Glauben Sie denn wirklich, dass ich mich als deutscher Staatsbürger beim Deutschen Olympischen Sportbund bewerbe, um Korea dabei zu helfen, die Winterspiele zu bekommen? Die Entscheidungskraft liegt doch gar nicht bei mir!«
    »Sie verstehen doch sicherlich, dass ich Ihnen diese Frage stellen muss«, sagte die Referatsleiterin entschieden. Kurz nach dem Bewerbungsgespräch bekam Sang-bong eine Absage. Man habe sich für eine andere Person entschieden, hieß es schlicht in der E-Mail. Und irgendwie ließ mich an diesem Tag das Gefühl nicht los, dass das Ablehnen von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, Migrationshintergrund oder Migrationserfahrung in Regierungsorganisationen genau wie das Turnschuhwerfen gegen Politiker zu einer Art olympischer Disziplin geworden ist.

KOREANER UND FELDHASEN
    I n der kleinen koreanischen Community in Deutschland hat sich einiges getan. Die koreanische Wochenzeitung Kyoposhinmun ging online. Bundeskanzlerin Merkel lud 200 ehemalige Gastarbeiter ins Kanzleramt ein. Das Motto der Veranstaltung lautete: »Deutschland sagt Danke!« Die Feier war eine verspätete Art von Anerkennung für die geleistete Arbeit. Unter den geladenen Gästen waren einige koreanische Krankenschwestern. Die koreanischen Bergarbeiter hatte man vergessen. Zum dritten und letzten Integrationsgipfel im November 2008, wo es um nichts mehr ging, weil man bereits bei den ersten beiden Gipfeln einen Integrationsplan erarbeitet hatte, wurde schließlich ein koreanischer Verband der zweiten Generation

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