Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
in Berlin an. Nach seiner erfolgreichen Promotion spielt mein Freund Sang-woo mit dem Gedanken, Deutschland in Richtung England zu verlassen. Unter der Prämisse, dass Sang-woo seine koreanische Freundin heiratet und so bald wie möglich etwas für den demographischen Wandel tut, half ich ihm beim Ausfüllen einiger Dokumente. Eine Hand wäscht die andere.
Meine Vermutung, dass die Staatsministerin Böhmer ihr Wort nicht halten würde, bekam hingegen Gewissheit. Bei der Gründung eines 32 Mann starken Bundesbeirats für Integration, die auf die Initiative von Böhmer zurückgeht, wurde kein koreanischer Verband berücksichtigt. Auf Anfrage ließ man aus dem Bundeskanzleramt verlauten: »[…] Leider können nicht alle Organisationen und Einzelpersonen, die sich auf dem Gebiet der Integrationspolitik engagieren, auch im Beirat mitwirken. Er wäre ansonsten nicht arbeitsfähig. […] Das steht jedoch einem konstruktiven Austausch über Ideen zu Integrationsanstrengungen und -fortschritten der koreanischen Zuwanderer in Deutschland nicht im Wege.«
Die Absage an das Mitwirken der Koreaner im Bundesbeirat sehe ich als zusätzliche Motivation, mehr denn je für die Vermehrung der Koreaner zu werben. Ich werde versuchen, koreanische Konglomerate ins Boot zu holen, mit deren Hilfe wir eine unmoralische Vermehrungsprämie aussetzen können. Es wird in die Geschichte eingehen als der große (Ei-)Sprung nach vorn.
Als ich meinem Vater von dieser Idee erzählte, mahnte er, ich solle mich stärker auf mein berufliches Fortkommen konzentrieren. »Die Liebe kommt später mit einem Job von ganz allein«, fügte Vater hinzu. Ich entgegnete ihm, dass es dann zu spät sein könnte und man lieber auf Nummer sicher gehen solle. Daraufhin zündete sich Vater eine Zigarette an und gab meiner Mutter die Schuld für meine »wirren Gedanken«, weil sie mich als Kind immer lauthals das koreanische Volkslied über den Hasen »Santoki« vorsingen ließ.
SPRACHE IST DER SCHLÜSSEL
E igentlich kann ich den Leitsatz »Sprache ist der Schlüssel zur Integration« nicht mehr hören. Der Spruch verleitet dazu, Integration ausschließlich mit Problemen zu verknüpfen. Das nimmt jeglichen Raum, darüber nachzudenken, was nach der Beherrschung der Sprache kommt. Was nützt es, wenn man diesen Sprachschlüssel hat und die Türen doch verschlossen bleiben? Im achten Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland heißt es nun, Bildung sei der Schlüssel zur Integration. Doch was kommt nach der Bildung? Schon jetzt bin ich mir sicher, dass im neunten Integrationsbericht die Erziehung zum Schlüssel für Integration ernannt wird. Einen Generalschlüssel, der alle Türen öffnen kann, gibt es anscheinend nicht. Wir werden zum Sammeln von vielen Schlüsseln verdammt, die sich am Ende zu einem Schlüsselbund wie dem eines Gefängniswärters zusammenfügen. Kein Wunder, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund eine Sprache aneignen, die keiner entschlüsseln kann.
Nachdem Vater sich wochenlang mit einer, wie er sagte, Wundercreme sein Gesicht eingerieben und damit geprahlt hatte, wie toll sie sei, wurde Mutter neugierig. Vater sollte Mutter die Tube zeigen, was Vater auch stolz tat, als hätte er ein Allheilmittel gegen Hautalterung gefunden. Die Wundercreme entpuppte sich als Haargel, das mein Schwager Martin, ein österreichischer Dermatologe, bei seinem letzten Besuch in unserem Hause vergessen hatte. Es war nicht so, dass Vater automatisch an Hautcreme dachte, egal welche Tube Martin im Bad vergessen hätte. Der wahre Grund lag darin, dass er zwar lesen konnte, was draufstand, aber nicht verstand, was es tatsächlich bedeutete und was es beinhaltete. Deshalb kam der Familienrat zusammen und beschloss, Vater für einen Sprachunterricht in Deutsch anzumelden. Unter dem Motto »learning by doing« sollte Vater sich selbst bei der VHS anmelden, was er auch tat.
Einige Wochen vergingen, Vater schien glücklicher und ausgeglichener zu sein, seit er sich für den Sprachunterricht angemeldet hatte. Wir freuten uns für Vater. Schließlich lernt man bis zum eigenen Tod nicht aus, und Deutsch ist keine wirklich schwere Sprache. Irgendwann platzten wir vor Neugier und wollten seine neu erworbenen Sprachkenntnisse auf den Prüfstand stellen, weil er zu Hause immer auf Koreanisch redete. Wir forderten Vater also auf, das aufzusagen, was er bis dahin gelernt hatte. Und Vater sprach.
»Merhaba! Adım Wo-so, Korealuyum. Almanyada
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