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Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Titel: Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hyun
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oturuyorum. Türkçe ögˇreniyorum çünkü Türk koms¸ularlai konus¸mak is¸tiyorum.«
    Irgendetwas muss schiefgelaufen sein, dachten wir uns. Vater grinste stolz in unsere entsetzten Gesichter. Ihm war anscheinend nicht bewusst, dass hier etwas falschlief. Meine Schwester Simone machte uns schwere Vorwürfe, redete uns ins Gewissen, wie wir Vater allein zur Anmeldung bei der VHS hätten schicken können, und faselte etwas von grober Fahrlässigkeit. Als wir uns etwas gefasst hatten, überlegten wir kurz, hatten schließlich einen Verdacht, um welche Sprache es sich handelte, und riefen unseren Freund Mahmut an. Er sollte helfen zu übersetzen, was Vater da von sich gab.
    »Hallo! Ich heiße Wo-so. Ich komme aus Korea. Ich wohne in Deutschland. Ich lerne Türkisch, weil ich mich mit meinen türkischen Nachbarn unterhalten möchte«,übersetzte Mahmutund freute sich im Gegensatz zu uns, dass Vater die Worte besser aussprach als so mancher Türke. Dann gratulierte er uns zu einer gelungenen Integration. Den Deutschkurs belegte Vater nie, was mir persönlich zugutekam, weil somit meine Freiheit nicht gefährdet wurde.
    Vater hatte sich zu seinem 70. Geburtstag ein Navigationssystem gewünscht, und Geburtstagskinder bekommen meistens das, was sie sich wünschen. Sofort rannte Vater damit zu unserem Nachbarn Wolfgang. Er bat ihn darum, das Navigationsgerät so einzustellen, dass er mit nur einem einzigen Klick meine Adresse in Berlin auf dem Display vorfinden würde. Vater wollte sich ein eigenes Bild davon verschaffen, wie das Leben in der Fremde für mich lief. Mit auf die lange Reise nahm er Mutter und seinen treuesten Alliierten, unseren Hund. Der Kimbab war gepackt und das Navigationsgerät von Wolfgang eingestellt. Es konnte losgehen. Mit den vielen kleinen Wundern der Technik im 21. Jahrhundert waren Mutter und Vater bislang nur wenig in Berührung gekommen. Von diesem Wunder der Technik waren beide so fasziniert, weil eine Stimme wie aus dem Nichts ertönte und klare Instruktionen gab, wo der Weg hinführen sollte. Für beide war klar, dass dieses Gerät etwas Überirdisches war, ja, etwas Göttliches an sich hatte – und sie froh waren, dass sie jeden Sonntag zur koreanischen Kirche gingen und zur Kollekte beitrugen. Bei der fast siebenstündigen Fahrt nach Berlin bedankten sich beide artig bei der Stimme aus dem Jenseits, bei jeder Anweisung, in welche Richtung sie fahren sollten, jeder Mahnung von Geschwindigkeitsüberschreitungen und selbst dann, als sie das Fahrtziel längst erreicht hatten.
    Es war die erste und gleichzeitig letzte Reise Vaters nach Berlin. Denn trotz Nachhilfe kommt Vater mit den Tücken des Geräts nicht zurecht. Es hapert schon beim Eintippen des Straßennamens. Vater tippt ihn nämlich so ein, wie er ihn ausspricht: K-O-P-P-E-P-Ä-R-N-I-K-U-S-S-E-T-E-R-A-S-S-E.
    Sprache ist der Schlüssel zur erfolgreichen Verteidigung meiner Freiheit.

MISCHEHEN SIND DER SCHLÜSSEL
    E ndstation Dönerbude?« hieß die Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung, zu der mein Freund Felix mich überredete mitzugehen. Eigentlich hatte ich gar keine Zeit, weil ich weiter an meinem Vermehrungsplan tüfteln wollte – in der Theorie versteht sich. Doch wofür sind Freunde da?
    Der Saal an der Schumannstraße in Berlin-Mitte war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Integrationsexperten Kenan Kolat, Özcan Mutlu, Klaus Bade und der Geschäftsführer des Berlin-Instituts ließen auf eine erkenntnisreiche Auseinandersetzung hoffen. Der Fokus lag auf der Studie des Berlin-Instituts »Ungenutzte Potenziale – Zur Lage der Integration in Deutschland«. Die Studie erregte großes öffentliches Aufsehen, denn sie belegte, dass die Türken unter allen Minderheiten am schlechtesten integriert seien. Die Studie fand heraus, dass die Türken häufiger arbeitslos und am schlechtesten gebildet seien und zudem kaum Mischehen mit der einheimischen Bevölkerung eingingen. Für Integrationskritiker war die Studie ein gefundenes Fressen. Sie fanden die Bestätigung für das, was sie schon immer predigten, nämlich dass die Türken integrationsunwillig seien.
    Ich dachte mir nur, dass bestimmt der Verfassungsschutz hinter der Studie steckte, der vorgaukelte, dass Mischehen zwischen Türken und Einheimischen zu Vollbeschäftigung und guter Bildung führten. So könnte man schließlich den Islam unterwandern, ganz so, wie die V-Leute es bei der NPD getan hatten.
    Bei der anschließenden Diskussionsrunde stand ein

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