Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
schwimmen wollen, Hausverbot erteilen. Beim Ordnungsamt soll man den türkischen Mitbürgern Strafzettel austeilen, wenn sie im Tiergarten einen ganzen Hammel rösten, den Müll nach dem Grillen nicht rechtmäßig entsorgen – und dabei notfalls als Boxsack dienen. Als Forstwirte sollen wir Waldbestände schützen und pflegen, und gerne dürfen wir als Wettermann einspringen, bis die Berufe für Einheimische wieder attraktiv und Kachelmann in der Gesellschaft rehabilitiert wird. Weil die Bundesrepublik immer bunter wird, will man uns als Hebammen beschäftigen. Schließlich sollen wir dabei sein, wenn unseresgleichen das Licht der Welt erblickt. In einer Stellenanzeige des Auswärtigen Amtes, in der nach einem Koch gesucht wird, heißt es: »Wir begrüßen Bewerbungen von Menschen aller Nationalitäten«. Deutsche Kochkünste haben auch im Auswärtigen Amt die Grenzen der Toleranz erreicht. Und neuerdings sollen wir auch am Hindukusch die Demokratie verteidigen. Bei solch verantwortungsvollen Aufgaben ist man sich einig, dass gerade dort interkulturelle Kompetenz und die Kenntnis von Einwanderersprachen unentbehrlich sind. Für das, was den Politikern nicht gelingt, nämlich eine Politik zu schaffen, die dem deutschen Volke dient, setzen sie auch gerne einmal die Migranten ein. Das hilft beim Wahlkampf. Zum Wohle des deutschen Volkes sind ihnen keine Wege zu weit und keine Berge zu hoch.
Mit neuem Selbstbewusstsein stürmen die frisch eingestellten BVG-Mitarbeiter wie die arabischen Banditen aus Neukölln, die ein Poker-Turnier ausraubten, die U-Bahnen, um Fahrscheine zu kontrollieren. Nicht umsonst wirbt die BVG nun mit dem Slogan: »BVG gut für Sie. Und Berlin!« Böse Berliner Zungen behaupten, die BVG sei nicht nur ein Sammelbecken ehemaliger krimineller Migranten, sondern auch früherer Grenz- und Parteisoldaten der DDR, die aus ihrer Zeit als IM vielseitig anwendbare Erfahrungen mitbrächten.
In der U7 Richtung Rathaus Neukölln wurde ich unlängst von arabischstämmigen Bushido-Verschnitten aufgefordert, meinen Fahrschein vorzuzeigen. Erst dachte ich an einen dummen Streich von Jugendlichen. Denn schon häufiger war es vorgekommen, dass sich türkisch- und arabischstämmige Schüler aus Spaß als BVG-Kontrolleure ausgaben. Die üben wahrscheinlich für ihren späteren Beruf, dachte ich mir. Übung macht ja bekanntlich den Meister. Jedenfalls kam ich ihrer Aufforderung nicht nach. Mein Ticket blieb im Portemonnaie. Doch die angeblichen BVG-Kontrolleure blieben hartnäckig. Um die Situation nicht weiter zu eskalieren und weil die Leute im Abteil anfingen, mich anzustarren, als wäre ich ein Schwarzfahrer, der auf frischer Tat ertappt worden ist, bestand ich darauf, dass sie sich als BVG-Mitarbeiter ausweisen. Plötzlich kippte die Stimmung, sie faselten etwas von Diskriminierung, dass ich sie bei der Arbeit behindere, und beschimpften mich als »du Opfer«. Der Ton wurde ruppiger. Die Sprache verfiel, von einem synthetischen Dahlem-Deutsch in einen authentischen Straßenslang, wie er in Neukölln zuhause ist. Doch auch in diesem Kiez gibt es das Happyend. Schließlich wiesen sich die arabischstämmigen Kontrolleure aus. Daraufhin zeigte ich brav meine Fahrkarte, und die U-Bahn-Welt war zumindest in der U7 wieder genau so, wie sie vor der Kontrolle gewesen war.
Eine einheimische ältere Dame, die neben mir saß und das ganze Geschehen gespannt mitverfolgte, gab den BVG-Jungs noch Komplimente mit auf den Weg: »Schön, dass ihr nicht mehr Drogen vertickt, sondern einer ehrlichen Arbeit nachgeht!« Mit stolz erhobenem Haupt, als wollten sie zeigen, dass sie ihrer Heimat mit ihrer Arbeit einen großen Dienst erwiesen, stiegen sie glücklich aus. Die Grenzen im Kopf sind überall, dachte ich mir. Auch ich kann mich nicht davon freisprechen.
Als ich wieder in Friedrichshain war, schaltete ich in meiner Wohnung das Radio an und lauschte einer interessanten Sendung, in der es um die vermehrte Anstellung von Lehrern mit Migrationshintergrund ging. Studien sollen belegen, dass Migrantenkinder besonders gute schulische Leistungen erbrächten, wenn sie von Lehrern unterrichtet würden, die einen ähnlichen Hintergrund hätten. In einem Interview überschüttete die einheimische Direktorin der Schule ihren türkischen Kollegen nur so mit Lob, nicht nur für seine pädagogischen Fähigkeiten, sondern vor allem, weil er für die Kollegen Elternbriefe auf Türkisch verfassen könne und Zugang zu schwererziehbaren
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