Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
der Produktion von Nachzüglern zum Erhalt der Spezies. In der Hinsicht sind die deutschen Tugenden wie Ordnung und Disziplin von gar keinem Vorteil. Da hilft auch kein Stromausfall, um dieses Problem zu beseitigen.
François hat eine christliche Irakerin geheiratet, eine, die keine Burka trägt. Elf Nationen befanden sich unter den geladenen Hochzeitsgästen. Ein multiethnisches Musikquartett bat die geladenen Gäste mit und ohne Migrationshintergrund, ein gemeinsames Lied in elf Sprachen zu singen. Plötzlich stand ein junger einheimischer Bayer, der an unserem Tisch saß, auf und sagte: »Da schaut’s her! Des passiert, wennst die Linken wählst!« Ich traute meinen Ohren nicht, was dieser Idiot vom Weißwurstäquator da gerade von sich gab, noch dazu völlig nüchtern. »Komm sei ruhig, König Ludwig! Das kannste in deinem Schloss Neuschwanstein machen! Aber nicht hier!«, wandte ich ein. In dem Moment, als ich Gott gerade darum bat, ihm für seine Dummheit zu vergeben, ihm aber eventuell noch an Ort und Stelle eine kleine Strafe als Lehre zuteilwerden zu lassen, trat seine Freundin an den Tisch. Als ich König Ludwigs Freundin sah, musste ich keine Stoßgebete mehr gen Himmel schicken. Jemand musste mir zuvorgekommen sein. Als ich ihn dann noch auf der Tanzfläche sah, hatte ich fast Mitleid mit meinem bayerischen Bruder. Denn im 21. Jahrhundert kann man mit Schuhplatteln niemanden mehr beeindrucken, außer sich selbst.
Die Hochzeit war ganz nach meinem Geschmack, weil sie allen die Zukunft des Landes so klar vor Augen hielt. In dieser Welt muss man trinkfest sein, denn die Ansprachen in elf Landessprachen zu halten und nach jeder Rede das Glas zu leeren, erfordert Standfestigkeit. Schon nach der fünften Ansprache hatte ich meine liebe Mühe und Not, die Welt nicht doppelt zu sehen. Eine Bauchtänzerin lud zum orientalischen Tanz ein. Der aus Togo stammende Gitarrist Joe Kiki, der sonst in der Fußgängerzone von Krefeld-Uerdingen spielt, erheiterte die Gäste mit deutscher Schlagermusik wie »Griechischer Wein«. Für mich ist Joe Kiki viel mehr als ein Straßenmusiker, er ist ein Kulturbotschafter und Philosoph. Nach seinem Auftritt sagte er zu mir: »Wenn sich jeder Bürger unseres Planeten nur für fünf Minuten täglich Gedanken darüber machen würde, wie sein Land regiert wird, wäre vermutlich in fünf Jahren die Welt von vielen Irrtümern befreit, und das Wort Evolution bekäme wirklich einen Sinn.«
Unwillkürlich musste ich an Thilo Sarrazin denken. Wird er von der Welt verschwinden, ohne jemals in den Genuss einer Multikulti- oder einer türkischen oder arabischen Hochzeit gekommen zu sein, diesen unglaublichen Bauchtanz erlebt und hochphilosophische Gespräche mit Menschen wie Joe Kiki geführt zu haben? Aber ich habe kein Mitleid mit ihm. Da bin ich ein wenig egoistisch. Dann bleibt eben mehr für uns übrig.
HEIRATEN AUF KOREANISCH
H eiraten auf Koreanisch ist ein schwieriges Unterfangen. Denn nicht nur der Liebesgott Amor hat dabei seine Finger im Spiel, sondern gleich die ganze koreanische Sippschaft, und das sind viele Finger. Jeder nimmt sich das familiäre Recht heraus, sein Veto einzulegen oder seine Bedenken zu äußern, egal, wie nah oder fern voneinander man lebt. Dass die Familie nicht mit der potenziellen Ehefrau zusammenleben muss, interessiert sie wenig. Archaische, patriarchalische Familienstrukturen mitsamt arrangierten Ehen in milder Form werden auch heute noch bei vielen koreanischen Familien in Deutschland praktiziert. Nur wissen das viele Einheimische nicht, weil Koreaner lautlos in der Gesellschaft leben.
Wenn deutsche Männer koreanische Frauen heiraten, haben sie den Vorteil, anders als bei den muslimischen Frauen, nicht gleich konvertieren zu müssen. Aus diesem Grunde bestraft die Bundesregierung meine türkischen Freunde damit, dass Familienangehörige und Visumsantragsteller, die zur Hochzeit nach Deutschland einreisen wollen, ausreichende Deutschkenntnisse vorzuweisen haben. Koreanischen oder japanischen Hochzeitsgästen hingegen gewährt man freie Fahrt. Die Musik mag keine Grenzen kennen. Der Sport, Ärzte und die Reporter mögen keine Grenzen kennen. Doch die Politik kennt ihre Grenzen. Kein Einheimischer soll mir noch einmal mit dem Argument kommen, die Südländer würden ihre Frauen klauen.
Die meisten koreanischen Frauen, die in Deutschland aufgewachsen sind oder ihren Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlagert haben, sind emanzipiert. Sie lassen sich
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