Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
behaupten kann, wie das Beispiel der Assistentin eines Kollegen von Horst Seehofer zeigt. Das Ende ist uns allen bekannt.
IN DER M10-TRAM
B ei einer Vernissage »Boxers & Fighters« in Mitte stellte mir Felix Greg aus Los Angeles vor. Ein bulliger Kerl, der wohl für eines der Boxerbilder Modell gestanden haben musste, dachte ich mir im Stillen. Gegen alle Erwartungen stellte sich Greg als Galerist vor. Wir sprachen über Amerika. Seit dem 11. September habe er nur noch Probleme bei der Einreise, trotz amerikanischer Staatsbürgerschaft, sagte Greg und schüttelte dabei den Kopf. Er werde jedes Mal schikaniert und mit den Fragen konfrontiert, was er in dem Land wolle und wie lange er bleibe. Greg hatte sich bereits genervt an einen Freund gewandt, der für die Einreisebehörde INS arbeitete, um sich Rat zu holen. Sein Freund habe ihm erklärt, dass Greg in der INS-Welt als nicht näher identifizierbare Ethnie gelte. Ich wollte Greg ein Kompliment machen und sagte, dass er wie ein Franzose mit algerischen Wurzeln aussehe. Doch Greg war davon wenig begeistert. Er habe sich gefreut, mich kennenzulernen, müsse nun aber noch andere Gäste begrüßen, sagte er und verabschiedete sich schnell.
Auf dem Weg nach Hause nahm ich die M10 Richtung Warschauer Straße. Ich fahre gerne mit der Tram, weil man dort auf Menschen quer durch alle Gesellschaftsschichten trifft, die oft durch laute Gespräche andere an ihrem Leben teilhaben lassen. Eine Unterhaltung zwischen zwei angetrunkenen einheimischen Mädchen und zwei Jungen lenkte an diesem Abend meine Aufmerksamkeit auf sich.
Eines der Mädchen fragte einen der Jungs: »Wie heißt du?«
»Vugar!«, antwortete der Junge etwas schüchtern.
»Du siehst aber gar nicht so aus!«, erwiderten beide Mädchen, sichtlich erstaunt über den ausländisch klingenden Namen. »Woher kommst du?«
»Aserbaidschan«, entgegnete der Junge höflich.
»Hätte ich nie gedacht!«
Das Statistische Bundesamt bezifferte im Jahr 2008 die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund auf 15,6 Millionen. Fast jeder fünfte Mensch in Deutschland hatte demnach eine ausländische Herkunft. Nun kam die Bertelsmann Stiftung in einer aktuellen Studie zu dem Ergebnis, dass der demographische Wandel schneller vonstatten geht als bisher angenommen. Man stelle sich das Gespräch in derselben Tram im Jahre 2050 vor.
Die beiden Mädchen, natürlich mit Migrationshintergrund, fragen den Jungen: »Wie heißt du?«
»Rudolf!«
»Du siehst gar nicht so aus!«, erwidern die Mädchen sichtlich verdutzt. »Woher kommst du?«
»Berlin«, antwortet der Junge.
Die Mädchen: »Hätten wir niemals erraten!«
Und plötzlich denke ich an Greg und weiß, dass sich für ihn alles zum Guten wenden wird, dass die Blumen wieder blühen und der Sturm sich legen wird.
Halte durch, mein Freund!
MULTIKULTI-HOCHZEIT
M ein Freund François und ich sind seit der Schulzeit befreundet. François ist ein Produkt deutsch-französischer Liebe. Unser Multi-Kulti-Freundeskreis besteht aus einem türkischstämmigen Achmet, zwei einheimischen Deutschen, Jan und Steffen, aus François und mir, dem Deutsch-Koreaner. Erst im letzten Jahr hat mein sunnitischer Freund Achmet eine tolle Kölsche Alevitin geheiratet. In Krefeld feierten beide eine pompöse türkische Hochzeit. Das hat François dazu bewogen, nach hinreichender Überlegung seinem Beispiel zu folgen.
Nun bin ich der letzte Migrant in unserem Kreis, der noch keinen Pakt fürs Leben geschlossen hat. Bei mir liegt es eben an den Umständen höherer Gewalt, ähnlich wie bei Charlie Chaplin. Die Frauen haben es Chaplin nicht leichtgemacht, und umgekehrt hat er es den Frauen nicht leichtgemacht. Mit diesem Argument kann ich mich noch so halbwegs vor Achmet und François verteidigen. Und Jan und Steffen sind froh, dass vor allem Achmet, der Schrecken deutscher Schwiegereltern, vom Markt ist und sie die Profiteure davon sind. Achmet war kein Kostverächter.
Steffen und Jan führen seit mehreren Jahren glückliche Beziehungen mit ihren Freundinnen. Doch an das Wagnis Heirat traut sich bisher keiner von beiden heran. Da zieht nicht einmal das Argument der steuerlichen Begünstigung. »Probieren geht über studieren«, war das Argument von François und Achmet. Für Jan und Steffen gilt das Gegenteil. Wenn die Mehrheit der deutschen Männer ähnlich wie Jan und Steffen denkt, dann gute Nacht! Denn so wird es nichts mit dem Steuer des demographischen Wandels Herumreißen und der Ankurbelung
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