Ohne Gewaehr
anderes ist das doch auch
nicht, beide wollen dich von ihrer Position überzeugen und den anderen
möglichst armselig aussehen lassen.« Corinne kicherte und ich stimmte schließlich
mit ein. Meine Schwester half mir wie immer dabei, die Dinge in die richtige
Perspektive zu rücken.
»Wie geht es Daniel?«, fragte sie, als wir uns wieder eingekriegt
hatten. »Hat er sich beruhigt, nachdem die Polizei den Mörder gefasst hat? Oder
will er dich noch immer auf Schritt und Tritt überwachen?«
Ich atmete tief durch und setzte mich wieder aufs Bett.
»Gestern gab es einen Einbruch in sein Appartment. Es ist zum Glück nichts
passiert, aber es war ziemlich unerfreulich. Ich glaube, Daniel steht immer
noch unter Schock.«
»Ein Einbruch?« Meine Schwester war alarmiert.
»Jemand ist in Daniels Appartment gewesen und hat ihm eine
Nachricht auf dem Nachttisch hinterlassen. Darin stand, dass Konstantin seinen
Auftrag abgegeben hat.«
»Was für einen Auftrag?«, fragte Corinne
verständnislos. »Ich dachte, Konstantin säße längst im Gefängnis?«
Ich erzählte ihr eine Kurzfassung der gestrigen Ereignisse,
ohne dabei auf Einzelheiten einzugehen. Erst jetzt bemerkte ich, wie nahe mir
Konstantins Tod ging. Gestern hatte ich nicht weiter darüber nachgedacht, doch heute
wurde mir bewusst, dass ich meinen Mörder nie wieder sehen würde. Meine Gefühle
verwirrten mich, denn eigentlich hätte ich erleichtert sein sollen, stattdessen
fühlte ich mich ratlos und ohnmächtig. Mit meinem früheren Tanzpartner im
Gefängnis hatte ich mich sicherer gefühlt. Doch nun war ein neuer, unbekannter
Mörder unterwegs. Und der hatte sein Ziel fest vor Augen: Daniel aus dem Weg zu
räumen.
»Du hättest mit Daniel mitfliegen sollen! Wieso hat er
dich nicht eingeladen, er muss doch wissen, welcher Gefahr du allein in Boston
ausgesetzt bist? Denkt er eigentlich immer nur an sich selbst?« Corinne klang
ziemlich aufgebracht.
»Nun krieg dich mal wieder ein«, versuchte ich, ihren
Redefluss zu unterbrechen. »Erstens gelten die Drohungen nur ihm und zweitens
hat er mich angebettelt, ihn zu begleiten. Du kannst ihm ja vieles vorwerfen,
aber nicht, dass er sich keine Sorgen um mich macht.«
Eine Weile sagte Corinne nichts, schien über meine
Worte nachzudenken. »Habt ihr eine Ahnung, wer dahinter steckt?«, fragte sie schließlich.
Ich seufzte schon wieder. »Nein, keinen Schimmer. Nicht
einmal eine Spur. Die Polizei hatte eine Weile Daniels Leibwächter verdächtigt,
aber das ist jetzt ausgeräumt. Alle Spuren führten bislang nur zu Konstantin
und der kann uns jetzt nicht mehr weiterhelfen.«
»Womöglich gibt es Zeugen, die wissen, mit wem er
gesprochen hat«, meinte Corinne nachdenklich. »Mit etwas Glück und dem Geld
deines Verlobten findet ihr vielleicht im Knast jemanden, der euch weiterhelfen
kann.«
»Das hört sich an wie in einem billigen Actionfilm!« Ich
musste unwillkürlich lachen. »Wenn es so einfach ist, wären Daniel und Smith
bestimmt selber darauf gekommen.«
»Ich muss gleich los, ich habe einen Termin zum
Vortanzen«, erklärte Corinne ein wenig beleidigt. »Wünsch mir Glück dafür, es
geht um eine tolle Rolle. Klassisches Ballet, zur Abwechslung.«
Ich bewunderte meine Schwester für ihre Vielseitigkeit
und die Ausdauer, mit der sie es schaffte, ihren ganzen Verpflichtungen
nachzukommen. Ich hingegen hatte diesen Samstag schon halb verschlafen.
Fröstelnd zog ich mir die Bettdecke über die Beine.
»Hast du eigentlich je darüber nachgedacht wie es wäre,
Kinder zu haben?«, fragte ich sie zögernd.
»Bist du etwa schwanger?«, fragte sie sofort zurück.
»Nein, bin ich nicht. Aber Daniel wünscht sich
unbedingt welche. Ich will eigentlich keine, jedenfalls nicht jetzt. Ich fühle
mich dazu viel zu jung.«
»Dann wartet eben noch ein paar Jahre. Du wirst schon
merken, wenn du soweit bist.«
Es klang so einfach aus dem Mund meiner Schwester.
»Daniel will aber unbedingt sofort welche. Er hatte
selbst nie ein liebevolles Zuhause und nun will er alles schnellstmöglich
nachholen. Ich weiß manchmal gar nicht, was ich ihm darauf antworten soll.
Alles, was ich sage, klingt irgendwie egoistisch und kalt.«
Corinne lachte höhnisch. »Egoistisch und kalt? Du? Gilt
das nicht eher für deinen durchgeknallten Verlobten? Was denkt der sich
eigentlich? Hat er nicht genug damit zu tun, seine Launen unter Kontrolle zu behalten
und euch beide vor einem Mörder zu beschützen? Kinder lösen doch nicht eure
Probleme.
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