Ohne Gewaehr
und
zielgerichtet.
»Was schreibst du da?«, wollte ich von ihm wissen.
»Anweisungen an Ying. Sie soll den Anstellungsvertrag für
unseren neuen CFO aufsetzen und dazu ein Memorandum an alle Abteilungen
verfassen«, antwortete er mir freimütig.
»Dann hast du also endlich einen Nachfolger für
Hendricks gefunden? Kannst du jetzt dein Geschäft mit dem deutschen
Autoproduzenten abschließen?«, fragte ich neugierig. Viel verstand ich von den Vorgängen
in seinem Unternehmen noch immer nicht, aber in den vergangenen Wochen hatte
ich zumindest einen allgemeinen Überblick gewonnen. Und offiziell war ich
weiterhin seine PR-Beraterin, auch wenn er mir vor dem Überfall die fristlose Kündigung
nahegelegt hatte. Die chaotischen Ereignisse der letzten Tage hatten mir bisher
keine Zeit gelassen, über sein Angebot zu entscheiden.
»Der Deal mit Deutschland ist längst in trockenen Tüchern.
Hendricks hat dort wieder auf seinem alten Posten angefangen, darum konnte ich
den Trick mit den Aktien natürlich nicht durchziehen. Aber der Abschluss ist
auch so außerordentlich lukrativ für beide Seiten.«
»Dann bist du nicht mehr wütend auf Hendricks?«, fragte
ich vorsichtig. Das Thema war heikel, denn sein ehemaliger Finanzchef hatte heftig
mit mir geflirtet und später Daniel gegenüber behauptet, wir hätten miteinander
Sex gehabt. Daraufhin war Daniel zum ersten Mal völlig ausgerastet und hatte
mich in seinem Hotelzimmer schwer verletzt.
Nun unterbrach er seine Arbeit und blickte zu mir hinüber.
»Babe, ich bin noch genauso stinksauer auf dieses Schwein, wie vor ein paar
Wochen. Aber es wäre dumm, persönliche Abneigung mit geschäftlichen Interessen
zu vermischen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.«
Ich nickte und wünschte mir, ich könnte so rationale
Entscheidungen treffen, wie er. Doch mein ganzes Leben wurde einzig durch ein
vages Bauchgefühl bestimmt, statt durch wohlüberlegte, durchdachte Entschlüsse.
»Eigentlich sollte ich auf dich wütend sein, du hast
mich schließlich auf Hendricks angesetzt«, bemerkte ich dann.
»Ja, das war der größte Fehler, den ich seit langem
gemacht habe«, schnitt er mir das Wort ab.
Seine entschiedene Antwort beruhigte mich. »Dann
würdest du so etwas also nicht wiederholen? Du siehst ein, wie geschmacklos und
dumm dieser Plan war?«, vergewisserte ich mich.
Mit seinen Augen schien er mich durchbohren zu wollen,
bevor er leise sagte: »Als ich den Entschluss gefasst hatte, dich für Hendricks
aufs Spiel zu setzen, war ich mir über deinen wahren Wert gar nicht im Klaren. Insofern
war es eine dumme Entscheidung, ja. Und ich würde solch hohen Einsatz auch
nicht noch einmal für einen CFO machen, da kannst du beruhigt sein. Deine
Bedeutung ist wesentlich höher.«
War das ein Kompliment oder eine Drohung?
Als er auf meinen vorwurfsvollen Blick auch nach
einigen Sekunden nicht reagierte, sank ich in die Kissen zurück. Dann musste
ich mich wohl mit der Hoffnung begnügen, dass er sich eben nur einen Scherz
erlaubt hatte. Normale Menschen verschacherten schließlich nicht einfach ihre
Verlobte.
Mein Unterbewusstsein war anscheinend ebenfalls aus dem
Koma erwacht und meldete sich glucksend zu Wort: Normale Menschen verschacherten
auch nicht ihre Freundin. Und normale Menschen luden auch nicht sämtliche
Freunde zu einer imaginären Verlobungsfeier ein. Oder freuten sich über eine
Beule auf der Kühlerhaube ihres nagelneuen Sportwagens. Ich seufzte leise
angesichts der Erinnerung daran.
Daniel sah stirnrunzelnd zu mir hinüber. »Geht es dir
nicht gut? Du machst so ein gequältes Gesicht, woran denkst du?«
»Daran, wie schön es wäre, wenn du ein bisschen weniger
absonderlich wärst«, murmelte ich.
Nun grinste er amüsiert. »Bist du sicher, ein
durchschnittlicher Mann würde es mit dir aushalten? Oder du mit ihm? Ich hatte
bisher bei dir nicht das Gefühl, dass du dich mit Mittelmäßigkeit zufrieden
gibst.« Dann wandte er sich wieder seinem Computer zu.
Meine Augen fielen immer wieder zu, während ich ihm
weiter bei der Arbeit zusah. Nach einer langen Pause sagte ich kaum vernehmlich:
»Ich glaube, ich habe eine Möglichkeit gefunden, mit der ich meine Erinnerung zurückholen
kann.«
Wieder hielt Daniel inne und blickte mich fragend an. »Wozu?
Ich wäre froh, wenn ich nicht immerzu an deinen Anblick denken müsste.«
»Doch, natürlich will ich wissen, was geschehen ist. Wie
sollte ich sonst je damit zurechtkommen? Ich habe mir gedacht, wenn
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