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Ohne Gewaehr

Ohne Gewaehr

Titel: Ohne Gewaehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renee R. Picard
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brachte ich unter
Schluchzern hervor.
    »Nicht so detailliert wie bei dir«, antwortete er scheu.
»Es ist eher ein Gefühl der Bedrohung. Ich kann es gar nicht richtig ausdrücken,
aber es ist, als ob du in einem dunklen Raum aufwachst, aufgeschreckt durch
eine unbekannte Gefahr, die dort irgendwo auf dich lauert. Du weißt nicht,
wovor du dich eigentlich fürchtest, was dich erwartet, wann es zuschlägt. Aber
die Gefahr ist deutlich spürbar, und sie kommt näher.«
    Ich wischte meine Tränen fort, vergaß meinen eigenen
Kummer angesichts seiner Anstrengung, die richtigen Worte zu finden. Behutsam
strich ich ihm über die erhitzte Wange, aus Angst, er könne sich in seiner Erzählung
verlieren. Leiser fuhr er fort: »Ich kann Suzanna schreien hören. Sie weint und
schreit, doch niemand kommt uns zur Hilfe. Und dann verstummt sie plötzlich.
Alles ist ganz still, so still, dass ich mein eigenes Herz schlagen höre.
Manchmal laufe ich auch weg, suche nach meiner Schwester oder ich verstecke
mich. Aber am Ende findet es mich immer.« Er verstummte und hielt mich ganz
fest an sich gepresst.
    »Meinst du, dass ihr wirklich je in solch einer
Situation wart? Oder ist es eher die Angst davor, dass etwas Schlimmes
passieren könnte?«, fragte ich ihn vorsichtig.
    »Suzanna ist tot! Sie sagen, sie habe sich umgebracht,
als sie elf Jahre alt war. Ich weiß, dass etwas Furchtbares geschehen ist, aber
was genau, darüber habe ich nur Vermutungen, nichts Konkretes.« Er war aufgewühlt,
kämpfte um jedes Wort. Sein Vertrauen und die Verletzlichkeit, die er mir hier erstmals
offenbarte, rührten mich. »Was für Vermutungen?«, fragte ich und wartete
atemlos auf seine Antwort.
    Jäh veränderte sich seine Stimme, blanker Hass schwang
mit, als er mühsam die nächsten Worte ausspuckte: »Es muss mit meinem
Stiefvater zusammenhängen. Alle meine Albträume fallen nur in die Zeit, als
meine Mutter ihn kennengelernt hat.«
    »Glaubst du das wirklich?«, fragte ich bestürzt und
fuhr dann unsicher fort: »Für Kinder ist es bestimmt nicht einfach zu
verkraften, wenn sie ein Elternteil so unverhofft verlieren. Dein leiblicher Vater
ist damals spurlos verschwunden, hast du gesagt. Vielleicht kommen die Träume ja
auch daher?«
    Doch er widersprach mir gereizt. »Nein, du musst mir vertrauen,
ich weiß es einfach! Wieso, kann ich auch nicht sagen, aber ich bin mir hundertprozentig
sicher.« Aufgebracht erhob er sich von meinem Bett.
    Ich ergriff beruhigend seine Hand. »Ich glaube dir,
Daniel. Es ist bloß eine schreckliche Vorstellung, dass deine Mutter noch immer
mit dem Mann zusammenlebt, der für deine Albträume verantwortlich ist.«
    Er wollte aufstehen, doch ich hielt ihn zurück. »Bitte,
Champ. Halte mich noch eine Weile fest. Ich kann jetzt nicht einschlafen, sonst
kommen die schrecklichen Bilder gleich wieder. Kannst du mich nicht ablenken
und noch ein wenig küssen?«
     
     
     
     
     
     
     
     

Dienstag, 26. Juni
2012
     
    Mein Rücken schmerzte vom langen Liegen und ich
langweilte mich. Unruhig wälzte ich mich auf dem Krankenhausbett hin und her. Daniel
sah von Zeit zu Zeit von seinem Laptop auf, hinter dem er sich schon den ganzen
Morgen versteckte. »Baby, was ist los? Soll ich dir ein Buch holen?«
    Sehnsüchtig blickte ich auf seine Kaffeetasse, aber Dr.
Sanders hielt mich weiterhin strikt auf einer Diät aus Wasser, Suppe und
trockenem Brot.
    Mit einem Ruck drehte ich mich auf den Bauch.
    »Du sollst dich doch nicht umdrehen, davon kann deine
Narbe wieder aufreißen. Willst du das?«
    »Vom vielen Liegen bin ich bestimmt schon ganz wund«,
lamentierte ich.
    Daniel stand seufzend auf. Ich spürte seine warmen
Finger durch mein Nachthemd. Behutsam massierte er meine Schultern. »Besser?«
    Ich stöhnte wohlig. »Könntest du nicht einmal
nachsehen, ob ich Druckstellen habe? Die entzünden sich nämlich leicht.«
    Er ließ mich los und ich hörte, wie er durchs Zimmer
ging und die Tür abschloss. »Es ist deine Schuld, wenn man uns hier rauswirft«,
brummte er, als er wieder an mein Bett trat und mir vorsichtig mein Nachthemd
von den Schultern zog. Seine Finger strichen hauchzart über meine Haut, dann küsste
er mich zwischen den Schulterblättern und ließ für einen kurzen Moment sogar
seine Zunge an meinem Nacken entlanggleiten. »Also ich sehe nichts, keine Entzündungen,
keine offenen Wunden und noch nicht einmal Druckstellen. Kann es sein, dass Sie
simulieren, Miss Walles?«
    Ich rekelte und streckte mich ihm

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