Ohne Gewaehr
meiner Schwester sprechen, ich aber
nicht mit seiner? Fiel ihm dieser Widerspruch gar nicht auf?
Später lag ich im Bett und starrte erschöpft vor mich
hin. Daniel musste noch arbeiten, saß wieder bis spät in der Nacht an seinem
Laptop und gab Anweisungen an die Schaltstellen seines Imperiums.
»Corinne hat mir geschrieben, dass meine Eltern es
ernst meinen mit ihren Drohungen. Es macht mich traurig, dass wir uns mit ihnen
nicht aussprechen konnten. Ich wollte nicht, dass ihr Besuch so endet«, erklärte
ich ihm.
Ohne erkennbare Reaktion schrieb er weiter, doch dann
schaltete er entschlossen den Computer aus, klappte ihn zu und löschte das
Licht an seinem provisorischen Arbeitsplatz.
»Ich bin mir bewusst, wie ernst deine Eltern es meinen.
Ich habe heute bereits zwei wichtige Lieferanten verloren, beide sind Freunde
deines Vaters«, berichtete er leise, während er mich in seinen Armen hielt.
»Aber du solltest dir keine Sorgen machen, die kriegen sich schon wieder ein. Spätestens,
wenn du ihnen ein Enkelkind präsentierst, sind sie wieder versöhnt.«
Ich stöhnte angesichts seiner deplatzierten Bemerkung
innerlich auf. Kinder waren so ziemlich das letzte, woran ich jetzt denken
wollte. Aber ich wusste, er wollte mich damit nur aufheitern. Darum kuschelte
ich mich an seinen warmen, harten Körper und schloss die Augen.
»Du hast gar keine Albträume gehabt«, flüsterte ich
leise. »Seit wir hier im Krankenhaus sind, scheinst du besser schlafen zu können
als ich.«
»Irgendetwas Gutes muss es ja haben, wenn ich mir den
ganzen Tag Sorgen um dich mache. Da hat mein Gehirn wahrscheinlich gar keine
Kraft mehr, sich nachts Horrorgeschichten auszudenken«, brummte er zurück und
küsste meine Stirn.
Mittwoch, 27. Juni
2012
Am Mittwochabend konnte ich tatsächlich entlassen
werden. Daniel wich den ganzen Tag nicht von meiner Seite, begleitete mich zu
allen Untersuchungen, hielt meine Hand und sprach mir Mut zu. Dabei hatte er
sich gleichzeitig auch noch um seine geschäftlichen Belange zu kümmern und trug
wieder einmal einen seiner hellgrauen Maßanzüge, die ihn noch unwiderstehlicher
aussehen ließen, als er ohnehin schon war. Die meiste Zeit wurde er von seiner
bildschönen Assistentin Ying verfolgt, selbst mein Krankenzimmer war für sie kein
Tabu.
Gegen die elegante Asiatin kam ich mir immer ein wenig
tollpatschig und ungelenk vor, aber hier im Krankenhaus verstärkte sich dieses
Gefühl der Unzulänglichkeit noch tausendfach. »Muss deine Assistentin dir
ständig hinterherlaufen? Wieso verfolgt sie dich bis an mein Bett?«, zischte
ich ihm wütend zu, als sie kurz den Raum verließ, um einen Becher Kaffee für ihn
zu besorgen. Mir war ihr offensichtliches Geflirte längst zu viel.
Ying war wie ich in Daniels Büro angestellt und hatte
mich während meiner ersten Arbeitstage dort betreut. Dabei hatte sie mir
deutlich zu verstehen gegeben, was sie von mir und meiner fachlichen Eignung
für den Job als PR-Beraterin hielt. In den letzten Wochen war in mir der
Verdacht aufgekeimt, sie könnte hinter den Einschüchterungsversuchen und
Telefonanrufen stecken, deren Ziel es war, mich und Daniel auseinanderzubringen.
Daniels Bodyguard Smith hatte diesen Gedanken zwar als unlogisch verworfen,
aber der konnte sich auch irren. Was wusste er schon von weiblicher Rivalität? Es
war meinem Heilungsprozess sicher nicht zuträglich, wenn diese Frau sich in
meiner Nähe aufhielt.
»Ying ist hier, weil ich sie darum gebeten habe. Ich
will nicht ins Büro fahren und dich den ganzen Tag allein lassen. Deshalb hat
sie meine Unterlagen ins Krankenhaus gebracht«, brummte er ärgerlich.
Mir war bewusst, dass ich mit meiner Eifersucht seine
Arbeit störte, trotzdem kam ich nicht gegen dieses hilflose Gefühl an. »Sie läuft
dir ständig hinterher. Ihre Röcke sind immer eine Idee zu kurz und wenn sie
neben dir steht, dann immer ein paar Zentimeter zu dicht. Ist dir das überhaupt
schon mal aufgefallen?«
Er blieb mitten in der Bewegung stehen und sah mich an.
»Juliet, was genau verstehst du nicht an dieser Situation? Ying ist meine persönliche
Assistentin, es ist ihr Job, mir hinterherzurennen. Du musst mir schon
vertrauen, ich bin durchaus in der Lage, Beruf und Privateleben voneinander zu
trennen.«
»Selbst wenn. Bist du sicher, dass sie das auch
versteht? Ich bin nämlich nicht die Einzige, der aufgefallen ist, wie sie dir ständig
schöne Augen macht. Martha hat sogar beobachtet, wie sie im Internet so
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