Ohne Gewaehr
Schatten unter seinen Augen und die tiefen Sorgenfalten,
die sich in seine Stirn eingegraben hatten. Ich fühlte mich unbehaglich, denn
nur meinetwegen lud er sich diese zusätzlichen Probleme auf. Und ich fühlte
mich fast wie ein Verräter. Hatte ich ihn nicht hintergangen, als ich Dr.
Sanders so viele intime Details aus unserer Beziehung berichtet hatte?
Daniel nahm mich fest in die Arme und diesmal konnte
ich meinen Schmerz nicht unterdrücken, sondern zuckte zusammen. »Was ist denn
los? Hast du dir weh getan?« Mit einer schnellen Bewegung zog er das Laken beiseite,
sein Blick fiel auf meine Oberarme mit den dunkelblauen Hämatomen. Sofort ließ
er mich los, er war leichenblass.
Ich schaute zu dem Wachmann herüber, der uns genau
beobachtete. »Sir, bitte lassen Sie Mr. Stone in mein Zimmer kommen. Es dauert
nur ein paar Minuten, aber ich möchte nicht hier auf dem Flur mit ihm sprechen.«
Der Wachmann war unsicher, wollte wohl keinen Ärger mit
Dr. Sanders bekommen, indem er Unbefugten Zutritt zu meinem Zimmer gewährte.
»Soll ich mir lieber etwas überziehen und mit Mr. Stone
in die Kantine gehen?«, fragte ich ihn daher. Er nickte erleichtert und war
froh, dass sich diese Angelegenheit von alleine gelöst hatte.
In der kleinen, ungemütlichen Krankenhauskantine
herrschte auch spät in der Nacht noch Hochbetrieb. Krankenschwestern tranken
hier Kaffee, Angehörige warteten unruhig darauf, Nachrichten von ihren kranken
Verwandten zu erhalten und zwei Ärzte spielten Schach, offensichtlich hatten
sie Bereitschaftsdienst. Wir setzten uns an einen freien Tisch, jeder nur eine
Tasse mit heißem Tee vor sich. Daniel nahm meine Hand und hielt sie fest
zwischen seinen Handflächen.
»Baby, wieso hast du davon heute Morgen nichts gesagt? Wenn
ich gewusst hätte, dass du Schmerzen hast, dann hätte ich dich doch niemals
allein gelassen.«
»Du warst auch so schon aufgebracht genug, ich wollte
dir nicht noch mehr Sorgen bereiten. Du arbeitest so hart und ich stehe dir
immerzu im Weg. Außerdem hättest du sowieso nichts daran ändern können. Was passiert
ist, ist eben passiert.«
Daniel machte einen gequälten Eindruck. »Es war pures
Glück, dass nicht mehr geschehen ist, Baby. Wir können so nicht weitermachen.
Die Therapie scheint überhaupt keine Wirkung zu zeigen, im Gegenteil, sie macht
alles nur noch schlimmer. Aber mir fällt einfach nichts mehr ein, was wir tun
könnten, außer Abstand voneinander zu halten.«
»Du willst mich verlassen? Du kannst doch jetzt nicht
einfach aufgeben!«
Er beugte sich zu mir und strich mit der Hand traurig
über meine Wange. »Baby, ich will dich doch auch nicht verlieren. Aber ich sehe
keine Lösung, kein Licht am Ende des Tunnels, nicht einmal eine Andeutung von
Helligkeit. Es ist alles aussichtslos.«
Eine einzelne Träne lief über meine Wange, doch ich
kämpfte erfolgreich gegen den Reiz an, einfach loszuheulen. »Ich liebe dich!
Solange ich weiß, dass du mir nicht absichtlich Schmerzen zufügst, kann ich es
ertragen.«
»Das ist nicht genug Juliet!«, Daniel war nun hellwach
und starrte mich intensiv an. »Das darfst du niemals sagen! Niemand hat das
Recht, dir weh zu tun. Auch dann nicht, wenn er dich liebt. Das ist keine
Entschuldigung und du darfst das nie akzeptieren!«
Nun war ich wirklich erstaunt, sein ganzes Verhalten
hatte sich verändert, er saß aufrecht und wirkte auf einmal erregt, so, als sei
ihm gerade etwas enorm Wichtiges eingefallen.
»Juliet, hör mir gut zu! Du bist mir näher, als jeder
andere Mensch auf dieser Welt. Ich würde alles für dich tun, absolut alles.
Aber ich erwarte von dir, dass du dich auch selbst liebst. Du darfst nicht
zulassen, dass du durch mich zu Schaden kommst. Glaube mir, ich habe selbst
erlebt, wie zerstörerisch solch bedingungslose Liebe ist, wenn sie sich auf den
falschen Menschen richtet. Ich habe gesehen, wie elendig ein Mensch zugrunde
gehen kann, wenn er sich bereitwillig und blind vor Liebe die schlimmsten Dinge
gefallen lässt, aus Angst, diese Liebe zu verlieren. Ich habe mir geschworen,
dass nicht noch einmal zuzulassen. Bitte, Juliet, denk darüber nach.«
Ich hatte ihm aufmerksam zugehört, aber seine Worte
verwirrten mich. Wovon sprach er eigentlich? Dass er nicht der Richtige für
mich war? Hatte er etwa schon einmal eine Frau unabsichtlich verletzt? Oder gar
schlimmer? Er war sehr ernst und sah mich noch immer mit festem Blick an. Was
sollte ich darauf antworten?
Vorsichtig begann ich, ihm
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