Ohne Gewaehr
jederzeit widerrufen. Und dann haben wir ohne ein
Tatmotiv vor Gericht kaum eine Chance. Der Staatsanwalt sitzt mir jetzt schon
im Nacken und will weitere Beweise. Mit Hilfe seines Anwalts wird Kramer schon
ein plausibler Grund einfallen, der den Einbruch in Ihre Wohnung erklärt. Mehr
ist auf den Kameraaufzeichnungen ja letztlich nicht zu sehen. Das reicht nie
und nimmer für eine Verurteilung wegen Mordes.«
Ich sank auf meinem Stuhl zusammen. »Und was ist der
zweite Haken?«
»Wenn Kramer tatsächlich nichts mit der Autobombe und
den beiden anderen Morden zu tun hat, dann gibt es noch einen weiteren Täter«,
fuhr Santoro ungerührt fort. »Wir haben schon lange den Verdacht, dass es zwei
Täter geben muss. Verzeihen Sie meine direkte Sprache, aber der Anschlag auf
Sie wurde von einem Amateur verübt, sonst wären Sie nicht mehr am Leben. Ein
echter Profi schießt immer zweimal. Der Mord an Wallenstein dagegen ist
eindeutig das Werk eines erfahrenen, kaltblütigen Mörders, der weiß, was zu tun
ist und wie man sich verhält.«
Atemlos lauschte ich den Ausführungen des Kommissars.
Mir fiel keine Erwiderung ein, darum hielt ich einfach das Telefon an mein Ohr
und hörte mir an, was er zu sagen hatte.
»Dieser Unbekannte ist jetzt gewarnt und wird in
Zukunft noch vorsichtiger vorgehen. Wenn Sie oder Mr. Stone also weiter auf der
Abschussliste stehen, dann nützt allein die Verhaftung von Kramer gar nichts.«
Ich war sprachlos. Noch ein Mörder? Hatte dieser
Albtraum denn nie ein Ende?
»Was soll ich jetzt tun?«, fragte ich, benommen von den
neuen Erkenntnissen. »Muss ich wieder aufs Präsidium? Wollen Sie mich noch
einmal verhören?«
Santoro räusperte sich. »Das wird sich kaum vermeiden
lassen. Wir haben noch Fragen zu den Beweismaterialien, die ihren Fall
untermauern sollen. Und wir müssen Ihre Aussage zum Tathergang noch einmal
genau mit Kramers Angaben abgleichen. Im Moment sichten wir unsere Unterlagen
und bereiten alles vor, wir werden Sie anrufen, sobald wir Sie sehen wollen.
Heute wollte ich Sie nur warnen. Sie müssen äußerst vorsichtig sein, wenn Sie
sich in der Öffentlichkeit bewegen. Es gibt absolut keine Anhaltspunkte, wer
der Mittäter sein könnte, es kann sich um eine Person handeln, die Ihnen
nahesteht, aber genausogut könnte ein Auftragskiller hinter Ihnen her sein. Sichern
Sie Ihre Wohnung! Der Täter kennt sich im Ritzman Hotel und im vermutlich auch
im Triumph Tower gut aus, hat dort anscheinend freien Zutritt. Sie sollten sich
also nach Möglichkeit eine andere Unterkunft suchen.«
Ich stöhnte auf, dieser Anruf nicht gerade dazu
angetan, meine Nerven zu beruhigen. Als ich das Gespräch beendete, sah ich, wie
die Härchen an meinem Unterarm abstanden. Was sollte ich jetzt tun? Schon
wieder umziehen? Wenn ich Daniel von dem Gespräch mit Santoro berichtete, würde
der mich wahrscheinlich vor lauter Angst überhaupt nicht mehr nach draußen
lassen.
Ein Blick auf die Uhr ergab, dass die Bodyscan Berechnungen
abgeschlossen waren. Eine vierundachtzig-prozentige Übereinstimmung wurde mir
angezeigt. War das genug? Ich konnte nicht mehr klar denken, speicherte alles
ab und schaltete meinen Computer aus. Mein Arbeitstag war sowieso fast zu Ende
und ich beschloss, etwas früher zu gehen, denn mir dröhnte der Kopf. Phyllis
und Martha würden sicher Verständnis haben.
Mr. Burton fuhr mich zum Theater. Während der Fahrt
überlegte ich angestrengt, ob ich wenigstens meinem Leibwächter von Santoros
Anruf berichten sollte. Er arbeitete inzwischen zwar für Daniel, aber hieß das
automatisch, dass er damit nur noch die Anordnungen meines Verlobten befolgte? In
meiner Unsicherheit beschloss ich, es zunächst auf einen Versuch ankommen zu
lassen, bevor ich die Nachricht von einem weiteren, frei herumlaufenden
Profikiller platzen ließ.
»Nur einmal angenommen, ich würde Ihnen ein Geheimnis anvertrauen
und Sie bitten, es niemandem zu erzählen. Wenn Daniel Sie dann auffordert, ihm
Auskunft zu geben, was würden Sie tun?«
Mein Fahrer sah mich verunsichert durch den Rückspiegel
an. »Was für ein Geheimnis?«
»Das ist im Moment eine rein theoretische Betrachtung«,
erklärte ich ihm. »Ich muss wissen, woran Sie Ihre Loyalität festmachen,
nachdem Sie nun für meinen Verlobten arbeiten.«
Er schien zu überlegen. »Das kommt auf das Geheimnis
an. Wenn es etwas ist, das Mr. Stone wissen sollte, dann würde ich ihn
informieren, auch wenn Sie mich um Stillschweigen gebeten haben.
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