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Ohne Gnade

Ohne Gnade

Titel: Ohne Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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hielt ihm die fünfzig Pfund unter die Nase. »So ist Ben. Ich fahre heim, verstehen Sie? Ich fahre heim.«
    »Und Sammy?«
    Sie lachte höhnisch.
    »Ben hat ihn fertiggemacht und hinausgeworfen.«
      »Bravo.« Nick ging zum Kamin und blieb mit dem Rücken zu ihr stehen.
      »Eines verstehe ich nicht. Warum wollte Sammy Ben einen Denkzettel verabreichen, als er gestern aus Wandsworth entlassen wurde? Das ergibt doch einfach keinen Sinn.«
      »Sie glauben doch nicht, daß er etwas auf seine eigene Kappe nimmt?« Sie verstummte plötzlich, als sie im Spiegel über dem Kaminsims sein Gesicht sah.
      »Weiter, Wilma.« Nick drehte sich um. »Für wen hat er gearbeitet?«
      Sie begriff plötzlich, daß hier etwas nicht stimmen konnte, schüttelte heftig den Kopf und stand auf.
      »Ich weiß nicht, ich kann mich nicht erinnern. Ich muß hier weg, zu meinem Zug.«
    Sie griff nach ihrem Koffer, aber Nick trat ihr in den Weg.
    »War es Fred Manton?«
      Sie hob den Kopf, plötzlich ernüchtert. In ihren Augen begann es zu dämmern.
      »Sie sind kein Freund von Ben.« Sie trat näher, sah ihm scharf ins Gesicht, und Nick Miller nickte.
    »Stimmt, Wilma. Ich bin von der Kriminalpolizei.«
      Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. Sie packte hastig ihren Koffer und versuchte sich an ihm vorbeizudrängen.
      »Ich habe nichts verbrochen. Sie können mich nicht festhalten. Ich muß zum Zug.«
    Nick stieß sie zurück.
      »Wo ist Ben, Wilma? Wenn Sie mir das sagen, bringe ich Sie selbst zum Bahnhof.«
      Einen Augenblick lang schien sie die Sprache verloren zu haben, dann deutete sie mit zitternder Hand auf ihn.
      »Jetzt weiß ich, warum ich vor Ihnen Angst hatte«, brach es aus ihr heraus. »Ich weiß auch, wo ich Sie schon gesehen habe. Als ich noch in Hamburg war, als Kind, während des Krieges, hatte ich einen Vetter, der sah genauso aus wie Sie, dasselbe weiße Gesicht, dieselben Augen, die einen Menschen gar nicht richtig sehen. Sie haben ihn erschossen.«
      »Ben«, sagte Nick. »Wo ist er? Ich will mich nur mit ihm unterhalten, Wilma. Er hat ja noch nichts angestellt.«
      »Und wenn Sie mich foltern, sage ich Ihnen nichts. Er ist der einzige Mann, der mich wie ein menschliches Wesen behandelt hat.«
    Nick zuckte die Achseln.
      »Schade. Dann muß ich Sie eben zum Verhör mitnehmen. Ihren Zug werden sie allerdings verpassen.«
      Ihr Gesicht wurde leichenblaß, der Mund schlaff. Sie starrte ihn fassungslos an.
    »Aber wenn ich meinen Zug verpasse, erwischt mich Sammy wieder. Er holt mich zurück.«
      Sie bewegte langsam den Kopf hin und her, wie in Trance. »Sie brauchen mir nur zu sagen, wo Ben hinwollte, als er von Ihnen fortging«, sagte Nick.
      Das Merkwürdige war, daß sie es wirklich nicht wußte und trotzdem von einem inneren Stolz, von einer Kraft, die sie niemals in sich vermutet hätte, daran gehindert wurde, den Mann zu verraten, der ihr geholfen hatte.
    Sie schluckte ein paarmal und reckte trotzig das Kinn vor.
    »Gut, dann fahren wir eben.«
    Nick seufzte schwer und nickte.
      »Richtig, Wilma, aber zum Bahnhof. Kommen Sie. Ich nehme Sie im Wagen mit.«
      Sie starrte ihn ungläubig an, hob ihren Koffer auf und ging um ihn herum.
    »Lieber fahre ich mit dem Teufel.«
      Er ging ihr durch den dunklen Korridor nach, die Treppe hinunter in den Hof. Als sie neben seinem Wagen in die Straße einbog, packte er sie an der Schulter.
      »Seien Sie nicht kindisch, Wilma. Ich bringe Sie in ein paar Minuten hin. Zwanzig nach zwölf geht ein Zug. Wir schaffen es gerade noch.«
      »Nehmen Sie Ihre Hände weg.« Sie riß sich los. »Von jetzt an gehe ich alleine.« Ihr Gesicht sah unter der Straßenlampe gelblich aus. Sie sah ihn haßerfüllt an. »Ihr seid alle gleich. Wer dabei zugrunde geht, ist euch ganz egal, wenn ihr nur herausbekommt, was euch interessiert. Hoffentlich schlägt Ihnen Ben den Schädel ein.«
    Sie spuckte vor ihm auf den Boden, drehte sich um und ging davon. Der Koffer schlug gegen ihr Bein, ihre hohen Absätze klapperten auf dem Pflaster. Langsam verklangen ihre Schritte in der Nacht. Nick starrte lange in die Dunkelheit, bevor er sich in seinen Wagen setzte und davonfuhr.
    Er sprang aus dem Auto und lief geduckt durch den Regen die Stufen zur weißen Eingangstür des ›Club Eleven‹ hinauf, drückte auf den Klingelknopf und schaute zum ›Flamingo‹ hinüber, dem grellen Farbfleck in der Dunkelheit. Das kam später. Im Augenblick wollte

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