Ohne Gnade
er nichts anderes als ein paar Worte mit Sammy Rosco wechseln, und zwar in aller Ruhe.
Die Tür ging auf. Er hastete an dem livrierten Pförtner vorbei und betrat den kleinen, mit einem flauschigen Teppich ausgelegten Vorraum. Ein junges Mädchen, das außer schwarzen Strümpfen nicht viel am Leib hatte, nahm ihm den Mantel ab. Ein weißhaariger Mann mit militärisch straffer Haltung kam ihm entgegen und lächelte liebenswürdig.
»Ihre Mitgliedskarte, Sir?«
»Ich habe keine, aber ich möchte Miß Ryan sprechen. Sagen Sie ihr, daß Nick Miller hier ist.«
»Sind Sie ein guter Bekannter von ihr?«
»Das kann man sicher sagen. Wir waren sogar im selben Bezirk.«
Der andere zog die Brauen zusammen. Nick zog seinen Ausweis und legte ihn auf die Theke.
»Geben Sie ihr das, mit den besten Grüßen.«
Der Mann machte ein langes Gesicht, griff aber nach dem Telefonhörer und drückte auf einen Knopf. Nach einem kurzen, halblaut geführten Gespräch legte er auf. Als er sich umdrehte, war das Lächeln wieder an seinem Platz.
»Miß Ryan wird gleich hier sein, Mr. Miller. Möchten Sie an der Bar warten? Die Vorstellung beginnt gleich.«
»Ich finde mich schon zurecht«, sagte Nick.
Er öffnete am Ende des Durchgangs eine Tür und stand vor einer kurzen Treppe, die zum Lokal hinunterführte. Über den Tischen verliefen erhöhte Laufstege, auf denen ›Go-Go-Girls‹ tanzten. Ihre Bekleidung hätte in eine Streichholzschachtel gepaßt.
Alle Tische schienen voll besetzt zu sein, ausschließlich von Männern. Die meisten wurden von Tischdamen umsorgt, die es im ›Club Eleven‹ in großer Anzahl gab.
Nick bestellte ein Getränk und blieb am Ende der überfüllten Bar stehen. Nach einiger Zeit ertönte ein Trommelwirbel. Auf einem der Laufstege erschien ein glatzköpfiger Ansager, das Mikrofon in der Hand.
Sein Vortrag bestand aus den üblichen schlüpfrigen Witzen und Anspielungen, aber er verriet auch ätzenden Spott, der direkt an die Adresse der Gäste gerichtet war, was sie jedoch nicht wahrzunehmen schienen.
Der Conférencier trat schließlich zur Seite und übernahm seine Rolle als Kommentator der Vorstellung, auf die, dem Beifall nach zu schließen, die Gäste in erster Linie gewartet hatten.
Sie entsprach dem üblichen. Berühmte Schönheiten aus der Geschichte. Sobald der Ansager einen Namen rief, hob sich an der Rückwand des Raumes ein Vorhang und gab den Blick auf nackte Mädchen frei, die Helena, Eva im Paradies und ähnliches vorstellten.
Dazwischen stolzierten die Mädchen über den Laufsteg und zeigten freigebig ihre Reize. Der Ansager begleitete diese Vorführungen mit anzüglichen Bemerkungen.
Die Gesichter der Gäste wurden lebendig. Im Licht der farbigen Scheinwerfer reckten sich Hände nach oben, um die Beine der paradierenden Mädchen zu berühren.
Ein Raunen ging durch das Lokal, als eine Negerin bar jedes Kleidungsstücks erschien und langsam dahintänzelte, bis sie sich auf dem Laufsteg abrupt umdrehte. Das Licht erlosch, und an ihrem Gesäß leuchtete eine Glühbirne auf.
»Zehntausend Volt«, schrie der Ansager, das Mädchen verschwand, und während Gelächter aufbrandete, wurde es wieder hell.
Nick griff nach seinem Glas und entdeckte Molly, die ein paar Meter von ihm entfernt stand und ihn beobachtete. Sie war Anfang Dreißig, eine auffallende, rothaarige Frau. Ihr grünes Kleid brachte eine Figur, die zu betrachten sich noch immer lohnte, vorteilhaft zur Geltung. Ihre Miene wirkte arrogant, aber als sie Nick ansah und lächelte, zeigte sich nur Herzlichkeit.
»Eine lange Zeit, Nick.«
»Zu lange.« Er nahm ihre beiden Hände und hielt sie einen Augenblick fest. »Ich war ein Jahr fort – auf einem Lehrgang.«
»Das habe ich gehört. Kriminalsergeant, sagt man.«
»Stimmt. Was möchtest du trinken?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nicht hier. Was hier ausgeschenkt wird, ist nur für die Dummköpfe bestimmt. Gehen wir in mein Büro hinauf.«
Sie ging zwischen den Tischen hindurch, ließ hier und dort ein Wort fallen, stieg die Stufen neben der Bühne hinauf und öffnete eine Tür mit der Aufschrift ›Privat‹. Sie gingen an den Garderoben der Tänzerinnen vorbei und erreichten eine zweite Tür, die in einen kleinen Raum mit Karteischränken, einem Schreibtisch und mehreren Telefonen führte.
Molly ging zu einem Schrank, nahm eine Flasche Whisky heraus und füllte ein Glas. Sie reichte es ihm und
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