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Ohne Gnade

Ohne Gnade

Titel: Ohne Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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übernehme ich die Verantwortung.«
      Die Tür schloß sich leise hinter ihr. Er starrte lange Zeit vor sich hin, bevor er das Zimmer verließ. Das Leben konnte wirklich kompliziert sein, dachte er.

      Als er den langen Saal betrat, war Chuck Lazer wie in Trance, weit draußen am Rand einer Wolke, wo es kühl und still war. Nach einiger Zeit kam er langsam zur Erde zurück, seine Finger glitten die Tastatur hinunter, und er öffnete die Augen.
      Niemand hörte zu; die Hälfte der Paare tanzte weiter, als sei die Musik noch nicht verstummt. Nick grinste mitfühlend, als Lazer ihn erkannte.
      »Jetzt waren Sie ganz allein, Chuck. Kein Mensch hat aufgepaßt.«
      »Kommt auf den Standpunkt an, General. Die, auf die es ankommt, waren alle dabei, tot oder lebendig, spielt gar keine Rolle. Fats Waller und Bix Beiderbecke. Jack Teagarden, Charlie Parker, Billie Holliday. Alle.«
    Nick bot ihm eine Zigarette an und gab ihm Feuer.
    »Trinken wir etwas?«
    Der Amerikaner schüttelte den Kopf und fuhr mit dem Handrücken über die feuchte Stirn.
      »Für das, was mich bedrückt, brauche ich mehr als Alkohol, General.«
      »Ich habe mich heute abend mit Ihrem Arzt unterhalten«, meinte Nick vorsichtig. »Er scheint der Ansicht zu sein, daß bei Ihnen noch Hoffnung besteht.«
    »Sagen sie das nicht immer?«
      »Eine neue Behandlungsmethode«, fuhr Nick fort. »Das heißt, nicht ganz neu, aber erfolgreich erprobt.«
    »Eine Entziehungskur?«
      »Mit Unterstützung durch eine Droge, die Apomorphin heißt. Sie verhindert die üblichen Entziehungssymptome und beseitigt die Sucht nach dem Gift.«
    »Klingt zu schön, um wahr zu sein.«
    »Wie hat es Sie überhaupt erwischt?«
    Lazer hob die Schultern.
      »Die falsche Art von Party, zuviel Alkohol. Jemand verpaßte mir zum Spaß eine Spritze, nachdem ich das Bewußtsein verloren hatte. Mehr war nicht nötig.«
      Nicks Hand auf dem Flügel ballte sich zur Faust, bis die Knöchel weiß hervortraten. Lazer grinste.
      »Ich weiß, General, mir ging es genauso.« Er stand plötzlich auf. »Vertreten Sie mich ein paar Minuten. Ich brauche Nachschub.«
      Er zwängte sich durch die Menge zu einer Tür in der Ecke neben der Bar. Nick setzte sich an den Flügel, nickte den beiden anderen Musikern zu und begann sofort mit einer schnellen, rhythmischen Version von ›St. Louis Blues‹. Beim dritten Chorus kam Lazer zurück. Nick verlangsamte sein Spiel, aber der Amerikaner schüttelte den Kopf, setzte sich zu ihm auf den Hocker und machte mit.
    Tempo und Lautstärke nahmen zu. Lazer setzte jeden Break präzise, Nick ging mit der Baßstimme darauf ein. Ganz plötzlich war da etwas Besonderes, Erregendes. Die Tanzpaare drehten sich erstaunt um, näherten sich dem Flügel, drängten sich heran, angezogen von etwas Elementarem, das ihr Innerstes ansprach.
      Ohne das Tempo zu wechseln, ging Lazer auf ›How High the Moon‹ über. Herausgefordert von der brillanten Phrasierung konterte Nick mit einem Rhythmus, der die Augen des Amerikaners aufleuchten ließ.
      Seine Finger entdeckten ein reicheres Thema, und Nick schuf mit einer Reihe komplizierter Akkorde den Ausgleich, aufgelöst durch einen Acht-Takte-Break, nach dem ihm die Arme weh taten. Er spielte langsamer, und Lazer folgte ihm, vom Gipfel hinunter ins Tal, leiser werdend, bis die Melodie verklang.
      Die Zuhörer klatschten begeistert, und Lazer grinste. Seine Augen glänzten fiebrig.
    »Sie gehören dazu, General. Sie gehören wirklich dazu.«
      Jean schob sich zwischen den Zuschauern hindurch und sah ihn bewundernd an. Als er aufstand, griff sie nach seiner Hand.
      »Eines meiner kleinen Laster«, meinte Nick schmunzelnd. »Gehen wir?«
      Jemand tippte ihm auf die Schulter. Als er sich umdrehte, sah er Craig vor sich, der ihn höflich anlächelte.
    »Einen schönen Gruß von Mr. Faulkner, Sir. Wenn Sie die Güte hätten, mir zu folgen, bringe ich Sie zu ihm. Er möchte Sie kurz sprechen, bevor Sie gehen.«

    15

    Nick kannte Harry Faulkner zwar nicht persönlich, hatte ihn aber bei zahlreichen Gelegenheiten aus der Ferne gesehen und wußte auch, daß sein Bruder in den Klubs der reicheren Geschäftsleute öfter mit ihm zusammentraf.
      Geachteter Geschäftsmann mit vielfältigen Interessen, Philanthrop, Sportsmann, Vorsitzender einer ganzen Reihe wohltätiger Organisationen – dieses Bild von sich kultivierte er mit Bedacht. Harry Faulkner hatte von der Slumgegend aus, in der er

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