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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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verloren?», will ich zehn Minuten später von ihm wissen. Ich habe Jones in meine Wohnung geschleppt, auf Mrs   H’s geblümtes Sofa gehievt und mit zwei Eiskompressen verarztet, eine auf dem Kopf, die andere auf dem linken Rippenbogen.
    Sein linkes Auge ist geschwollen, und es scheint, dass er heute schon einmal Prügel bezogen hat, denn sein Kopf ist bandagiert.
    «Haben Sie nicht mehr alle Tassen im Schrank?» Ich bin von meinem Adrenalinkick halbwegs runter, marschiere vor der Kochnische auf und ab und schnippe an meinem Gummiband herum. Am liebsten hätte ich mich gehäutet.
    «Was haben Sie mit Ihren Haaren angestellt?», krächzt Jones.
    «Vergessen Sie meine Haare. Was zum Teufel fällt Ihnen ein, wie ein Vorstadtninja verkleidet auf der Straße rumzuschleichen? Reicht Ihnen der Affenzirkus vor Ihrem Haus etwa nicht?»
    «Sie meinen die Presse?»
    «Die Kannibalen.»
    «Treffender Vergleich. Ich bin nämlich selber einer von denen und komme mir jetzt vor wie deren fette Beute.»
    In meiner momentanen Verfassung gehen mir
treffende Vergleiche
am Arsch vorbei. «Was hatten Sie eigentlich vor?»
    «Ich wollte zu Ihnen.»
    «Warum?»
    «Sie sagten, Sie hätten etwas gesehen in der Nacht, als meine Frau verschwunden ist. Ich will wissen, was.»
    «Ach, hätten Sie denn nicht einfach zum Hörer greifen und mich anrufen können?»
    «Ich will mich mit eigenen Augen davon überzeugen, ob Sie lügen oder nicht.»
    «Blödsinn. Sie können mir ins Gesicht starren, solange Sie wollen, und sind nicht schlauer als vorher.»
    «Lassen wir’s drauf ankommen», sagt er leise, und da blitzt was in seinem fast zugeschwollenen Auge, das mir mehr Angst macht als die drei Schläger, die ihm soeben das Fell gegerbt haben.
    «Ach ja?» Ich mache einen auf Macho. «Wenn Sie so ein harter Brocken sind, warum war
ich
es, der dem Schlägertrupp Beine gemacht und Ihren erbärmlichen Arsch vom Pflaster gekratzt hat?»
    «Ich bin von hinten angefallen worden», entgegnet erkläglich und rückt das Eispaket zurecht. «Was waren das überhaupt für Typen, Ihre Freunde?»
    «Nein, nur ein paar Armleuchter, die rausgefunden haben, dass ein vorbestrafter Sittenstrolch in ihrer Nachbarschaft wohnt. Die kommen bestimmt wieder, morgen Nacht, gleiche Zeit, selbe Stelle. Sie könnten diesmal Zaungast sein.»
    «Tun Sie sich selber leid?», fragte er ruhig.
    «Allerdings.»
    «Das erklärt den Whiskey.»
    «Ich hab noch ’ne Flasche. Wollen Sie einen?»
    «Ich trinke nicht.»
    Der Kerl bringt mich auf die Palme. «Herr Saubermann persönlich, was?
Don’t drink, don’t smoke, what do you do?   … Goody two, goody two, goody two shoes.
»
    Jones gafft mich entgeistert an.
    «Kennen Sie etwa nicht?», frage ich. «Das ist Adam Ant. Aus den Achtzigern. Wo sind Sie aufgewachsen? Hinterm Mond?»
    «Im Souterrain, um genau zu sein. Und Sie sind viel zu jung, um sich an die Achtziger zu erinnern.»
    Zu spät wird mir klar, dass ich zu viel preisgebe. «Ich kannte da dieses Mädchen», murmele ich schulterzuckend. «Sie stand auf Adam Ant.»
    «Das Mädchen, das Sie vergewaltigt haben?», fragt er wie nebenbei.
    «Halten Sie doch Ihr Maul! Es kotzt mich an, dass sich jeder anmaßt, alles über mich und mein verdammtes Sexleben zu wissen. So war’s nicht.»
    «Ich habe mich über Sie erkundigt», setzt er ungerührtnach. «Sie hatten Sex mit einer Vierzehnjährigen. Von Rechts wegen kommt das einer Vergewaltigung gleich. Es war also doch so.»
    «Ich habe sie geliebt!», platzt es aus mir heraus.
    Er starrt mich an.
    «Wir hatten was ganz Besonderes miteinander. Es ging nicht nur um Sex. Wir haben uns gegenseitig gebraucht und waren füreinander da, weil es sonst niemanden für uns gab. Das ist etwas Besonderes, verdammt. Das ist
Liebe

    Er starrt mich an.
    «Ja, das ist es. Man kann nicht aussuchen, in wen man sich verliebt. So einfach ist das.»
    Er macht den Mund auf. «Päderasten, so unterschiedlich sie auch gestrickt sein mögen, haben eins miteinander gemein, nämlich das Unglück, dass sie ihre erste sexuelle Erfahrung mit einem Erwachsenen hatten, als sie fünfzehn waren oder jünger.»
    Ich schließe die Augen. «Ach, leck mich doch», sage ich müde. Dann sehe ich die zweite Flasche Maker’s Mark auf dem Tisch stehen und mache mich an dem Verschluss zu schaffen, obwohl mir so schlecht ist, dass ich eigentlich gar nichts mehr will.
    «Sie hätten das Mädchen nicht anrühren dürfen», labert er weiter. «Zurückhaltung wäre der

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