Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
Vom Netzwerk:
einer Bratenscheibe. Heiße Käsefäden zogen sich über den Arm, Bratensaft tropfte. Egal.
    Sie stieg auf den weißgedeckten Tisch und pflanzte ihren Hintern zwischen einen grünen Wackelpeter-Ring und diverse Puddings mit Kirschen obendrauf, wo sie beide Hände in den Wackelpudding tauchte und von einem eisgekühlten Parfait-Glas den Sirup abschleckte.
    Sie hatte solchen Hunger   … doch plötzlich war das Essen weg, und sie lag bäuchlings auf einer riesigen, satinbezogenen Matratze, splitternackt und wie ein Kätzchen schnurrend, während unbekannte Hände Wundertaten verrichteten und genau zu wissen schienen, an welchen Stellen sie berührt werden wollte. Entgegenkommend hob sie ihre Hüften, wurde plötzlich auf den Rücken gewälzt und zur Schenkelgrätsche eingeladen, und währendsie drängende Stöße entgegennahm, starrte sie in Brian Millers schnauzbärtiges Gesicht.
    D.   D. schreckte aus dem Schlaf auf. Ihre Hände hatten sich am Laken festgekrallt. Sie schwitzte am ganzen Leib und keuchte. Lange starrte sie auf die grauen Wände und sah den Morgen eines trüben Tages heraufziehen.
    Endlich schälte sie sich aus den Laken, stand auf und wankte ins Badezimmer vor den Spiegel überm Waschbecken.
    «Keine Sorge, alles nur ein Traum», erklärte sie ihrem Spiegelbild.
    Halb sechs. Sie putzte sich die Zähne und sprang unter die Dusche.
     
    D.   D. war Realistin. Wer seit zwanzig Jahren im Polizeidienst war, hatte ein paar nüchterne Wahrheiten über die menschliche Natur begriffen. Dass eine Person vermisst wurde, kam in den besten Familien vor. Erwachsene nahmen sich manchmal eine Auszeit. Paare hatten bisweilen Streit miteinander. So hatte auch im Fall Sandra Jones selbst noch nach sechsunddreißig Stunden Hoffnung darauf bestanden, dass sie von den tüchtigen Detectives der Bostoner Polizei lebend aufgefunden und nach Hause zurückgebracht werden würde.
    Jetzt aber, zweiundfünfzig Stunden später, glaubte D.   D. nicht mehr, dass sie nach einer vermissten Mutter fahndeten, sondern nach einer Leiche. Nichtsdestotrotz drängte die Zeit, wenn sie denn zumindest in der Hinsicht Erfolg haben wollte.
    Verbrechen und Ermittlungen folgten einem bestimmtenRhythmus. Während der ersten vierundzwanzig Stunden bestand noch Aussicht darauf, dass das Opfer überlebte und der Täter Fehler machte. An Entführungen, Tätlichkeiten und Mord waren immer heftige Emotionen beteiligt, und wer unter dem Eindruck solcher Emotionen stand, womöglich Angst oder gar Reue empfand, neigte zur Panik.
Was Schlimmes gemacht? Nichts wie weg, nichts wie weg.
    Gelang es der Polizei nicht schnell genug, den Täter zu schnappen, hatte dieser Zeit, sich zu besinnen. Er konnte dann seine nächsten Schritte mit kühlerem Kopf überdenken und mit Bedacht seine Spuren verwischen. Er würde Beweise verschwinden lassen, sich ein Alibi ausdenken und Zeugen, wenn es sie gab, zum Schweigen bringen, auch wenn es sich um ein kleines Mädchen von nur vier Jahren handelte. Mit anderen Worten, der Täter wandelte sich vom hektischen Amateur zum kriminellen Superhirn.
    Mit einem solchen Superhirn wollte es D.   D. lieber nicht zu tun haben. Sie wollte schnellstmöglich das Opfer finden und eine Verhaftung vornehmen – am besten noch vor den Fünf-Uhr-Nachrichten. Es galt also, gehörig Druck zu machen und den Fall endlich zu lösen. Wenn ihr das gelänge, hätte sie am Feierabend allen Grund, mit sich zufrieden zu sein.
    Doch leider gab es zu viele Personen, die sie hätte unter Druck setzen müssen. Zum Beispiel Ethan Hastings. Dreizehn Jahre, erschreckend schlau und hoffnungslos verknallt in seine vermisste Lehrerin. Angehender Schürzenjäger oder ausgeflipptes Teenie-Monster?
    Dann war da Aidan Brewster, vorbestraft, weil er mit einer Minderjährigen geschlafen hatte. Er behauptete, Sandra Jones nicht zu kennen, wohnte aber in derselben Straße wie sie. Resozialisierter Sittenstrolch oder rückfälliger Sexualstraftäter mit frischem Appetit auf Gewalt?
    Auch an Sandys Vater, den ehrenwerten Maxwell Black, war zu denken. Der entfremdete Vater, der nach dem Verschwinden seiner Tochter plötzlich auftauchte, schien laut Auskunft von Officer Hawkes seinen Schwiegersohn zu bedrohen und entschlossen zu sein, seine Enkelin zu sehen, so oder so. Trauernder Vater oder selbstsüchtiger Großvater, der alles daransetzte, Ree unter seine Kontrolle zu bringen?
    Schließlich Jason Jones, Sandras unterkühlter Ehemann, der noch nichts unternommen hatte,

Weitere Kostenlose Bücher