Ohne jede Spur
und das Café verlassen. In Anbetracht des Themas erschien es besser, die Unterhaltung im Gehen fortzusetzen. Sie steuerten auf die Uferpromenade zu und folgten der roten Markierung jener Strecke, die einst der Freiheitskämpfer Paul Revere als Kurierbote zu Pferde zurückgelegt hatte.
«So wie ich es verstanden habe», sagte Wayne, «hat sich Sandra an Ethan gewandt, und zwar unter dem Vorwand, ein Konzept für einen Internet-Anfängerkurs mit ihm ausarbeiten zu wollen. Ethan ist allerdings schnell dahintergekommen, dass sie nicht so sehr schulische Belange im Sinn hatte, sondern ein ganz persönliches Interesse verfolgte. Ethan glaubt, dass sie ihren Mann im Verdacht hat, womöglich irgendetwas mit Kinderpornographie zu tun zu haben. Sie wollte der Sache auf den Grund gehen.»
«Haben Sie Ermittlungen gegen ihn eingeleitet?»
Wayne schüttelte den Kopf. «Als ich Sandra das erste Mal begegnet bin, hat sie klargemacht, dass sie mein Engagement nur als persönliche Gefälligkeit akzeptieren kann. Sie wollte zuerst Gewissheit haben und erst dann gegebenenfalls die Polizei einschalten. Denn sie musste vor allem auch an ihre Tochter denken und mochte ihrnicht zumuten, den Vater womöglich hinter Gittern zu wissen.»
D. D. krauste die Stirn. «Bei einem solchen Verdacht hätte sie sich im Hinblick auf ihre Tochter doch wohl eher um anderes Sorgen machen müssen.»
Wayne zuckte mit den Achseln. «Sie wissen bestimmt, wie es in vielen Familien zugeht. Man kann einer Mutter die samenbefleckte Unterhose ihrer siebenjährigen Tochter zeigen, und sie wird sich dennoch einreden, dass ihr Mann nichts damit zu tun hat.»
D. D. seufzte. Er hatte recht. «Okay, Ethan hat Sie also angerufen. Was dann?»
«Er schien sich ernstlich Sorgen um seine Lehrerin zu machen. Also habe ich mich bereit erklärt, Sandra an einem dieser Donnerstagabende beim Basketball zu treffen und mit ihr zu reden. Ich dachte, die Sache wäre schnell erledigt. Ich würde ihr raten, die Polizei ins Vertrauen zu ziehen und so weiter …» Er wurde immer leiser.
«Und?», fasste D. D. nach.
Wayne schien sich zu winden. «Tja, und dann sah ich Sandra Jones.»
«Nicht das, was man sich von einer verhuschten Gemeinschaftskundelehrerin vorstellt, nicht wahr?»
«Nein. Ganz und gar nicht. Dass mein Neffe einen Narren an ihr gefressen hatte, konnte ich sofort verstehen. Im Übrigen ist sie jünger, als ich es erwartet hatte. Und sehr viel hübscher. Neben ihr und der niedlichen Tochter auf der Tribüne zu sitzen … ich weiß nicht. Ein Blick hat genügt, und ich wollte ihr helfen. Ich hatte den Eindruck, ihr helfen zu müssen. Dass sie mich braucht.»
«O ja. Mary Kay Letourneau, Debra Lafave, Sandra Beth Geisel – alles sehr attraktive Frauen. Finden Sie es nicht auch merkwürdig, dass sich ausgerechnet solch schöne Frauen mit jungen Schülern einlassen? Was soll man davon halten?»
«Ich sagte doch, so ein Verhältnis hat Sandra mit Ethan nicht.»
«Haben Sie es mit ihr?»
Wayne verzog keine Miene. «Wollen Sie nicht hören, was ich zur Sache zu sagen habe?»
D. D. hob die Hände. «Schießen Sie los.»
«An diesem ersten Abend hat sich Ethan zu Ree gesetzt, während Sandra und ich einen Spaziergang über den Schulhof machten. Sie berichtete mir, ein verstörendes Foto im Computerpapierkorb gefunden zu haben. Nur dieses eine Foto und nur dieses eine Mal. Mehr sei ihr nie zu Gesicht gekommen, doch habe sie in der Zwischenzeit einiges über Browser-Chroniken und Datenspeicherung in Erfahrung gebracht. Sie ist davon überzeugt, dass ihr Mann auf dem Computer Geheimnisse vertuscht, und wollte wissen, um was genau es sich handelt.»
«Vertuscht? Wie soll das möglich sein?»
«Ethan hat ihr beigebracht, wie man den Verlauf einer Internetsitzung nachvollziehen kann. Alle Informationen darüber sind in einer Datei auf der Festplatte abgelegt und können abgerufen werden. Sandra hat diese Daten auf dem Familiencomputer gesucht, und zwar mit Hilfe eines Programms, das Ethan ihr empfohlen hatte. Vergeblich. Sie konnte immer nur drei völlig harmlose Einträgeentdecken:
Drudge Report, USA Today
und die
New York Times
.»
«Und was ist daran verdächtig?»
«Sandra hatte selbst zur Vorbereitung ihres Unterrichts jede Menge verschiedene Websites aufgerufen, von denen aber anschließend in der Browser-Chronik keine einzige aufgelistet war. Und das kann nur bedeuten, dass Cache-Speicher und Verlauf nach jeder Sitzung gelöscht werden und am
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