Ohne jede Spur
einmal angedeutet, dass der Name Jones ein Pseudonym sein könnte?»
«Machen Sie Witze? Nein, davon war nie die Rede.»
D. D. dachte nach. «Es scheint, Jason Jones kennt sich bestens mit Computern aus.»
«Allerdings.»
«Gut genug, um mit Hilfe eines Computers seine alte Identität abzustreifen und eine neue aufzubauen?»
«Könnte sein», antwortete Wayne. «Mittlerweile ist online fast alles möglich. Es lassen sich nicht nur neue Bankkonten eröffnen und Geschäfte abwickeln, sondern auch Informationen streuen, die sich zu einer fiktiven Biographie zusammenfügen. Ja, ein raffinierter User kann beides: multiple Identitäten schaffen und verbergen.»
D. D. nickte. «Was bräuchte man dazu außer einem Computer?»
«Hmmm, eine Postanschrift oder ein Postfach. Ohne geht’s auf Dauer nicht. Möglich wäre auch eine Telefonnummer unter neuem Namen, aber das ist im Zeitalter der Handys und Prepaid-Verträge weniger wichtig. Kurzum,man braucht etwas Greifbares, das die angenommene Identität beglaubigt, gleichzeitig aber auch leicht zu handhaben ist.»
Postfach. Eingerichtet unter Jones’ Namen oder Sandras Mädchennamen. Daran hatte D. D. noch gar nicht gedacht. Dem musste nachgegangen werden.
«Hat Sandra jemals den Namen Aidan Brewster erwähnt?»
Wayne schüttelte den Kopf.
«Und können Sie mir als Kollege Ihr Wort darauf geben, dass Sandra Jones Ihres Wissens nach nie mit Ihrem Neffen allein gewesen ist?»
«Ich weiß nur, dass sie sich während ihrer Freistunden im Computerlabor der Schule getroffen haben. Ja, da waren sie meist allein, allerdings am helllichten Tag und bei laufendem Schulbetrieb.»
«Hat Sandra jemals davon gesprochen, ihren Mann verlassen zu wollen?»
«Sie würde nie ohne ihre Tochter durchbrennen.»
«Nicht einmal Ihnen zuliebe, Wayne?»
Er reagierte mit wütendem Blick, doch D. D. dachte nicht daran, ihre Frage zurückzuziehen. Wayne Reynolds war ein gutaussehender Mann und Sandra Jones eine sehr einsame junge Frau …
«Ich fürchte, Jason Jones hat sie getötet», sagte er leise. «Vielleicht hat er sie in der Nacht auf Donnerstag dabei erwischt, wie sie die Festplatte zu kopieren versuchte, und hat dann die Beherrschung verloren. Seine Frau ist ihm auf die Schliche gekommen, also musste sie sterben. Davon bin ich überzeugt, seit ich gestern die Pressekonferenzgesehen habe, und wenn Sie mich fragen, ob ich persönlich in den Fall verwickelt bin, kann ich das nur bejahen. Ich habe versucht, einer jungen, verängstigten Mutter zu helfen, und so mit dazu beigetragen, dass sie ermordet wurde. Es ist entsetzlich. Ich mache mir schreckliche Vorwürfe.»
«Okay.» D. D. nickte. «Sie haben wohl Verständnis dafür, dass ich Sie auffordern muss, ins Präsidium zu kommen, damit wir ein Protokoll aufnehmen können.»
«Selbstverständlich.»
«Heute Nachmittag, drei Uhr?»
«Ich werde da sein.»
D. D. setzte sich in Bewegung, hatte aber noch eine Frage: «Wie oft haben Sie sich mit Sandra getroffen?»
Er zuckte mit den Achseln. «Keine Ahnung. Acht- bis zehnmal vielleicht. Immer zu einem der Basketballspiele.»
D. D. nickte. Ziemlich häufig, wenn man bedachte, dass Sandra ihm letztlich keine Kopie der Festplatte hatte vorlegen können.
27. Kapitel
Jason wurde von einem anschwellenden Summton geweckt. Plötzlich fiel ein heller Lichtstrahl seitlich auf sein Gesicht. Benommen öffnete er die Augen und schaute auf den Wecker. Fünf Uhr. Irritiert blickte er auf die von hinten beleuchteten Vorhänge. So früh ging im März doch nicht die Sonne auf.
Dann kam er dahinter. Scheinwerfer. Die Übertragungswagen waren zurückgekehrt und rüsteten sich für neue Bildberichte vom Tatort, seinem Vorgarten.
Er ließ den Kopf aufs Kissen zurückfallen und fragte sich, ob während der vergangenen drei Stunden, in denen er endlich wieder einmal geschlafen hatte, irgendwelche neuen Sondermeldungen durchgegeben worden waren. Er sollte den Fernseher einschalten. Sich die aktuelle Fortschreibung seines Lebens zu Gemüte führen. Er hatte durchaus Sinn für Ironie und wartete darauf, dass er sich auch jetzt wieder meldete und ihn aufmunterte. Aber er empfand vor allem Müdigkeit und fühlte sich rundum vereinnahmt. Er musste seine Tochter beschützen, seine Frau finden und verhindern, dass man ihn ins Gefängnis steckte.
Jason streckte Arme und Beine aus und stellte fest, dass alle vier Gliedmaßen noch zu funktionieren schienen, obwohl manche mehr schmerzten
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