Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
Vom Netzwerk:
und alles daransetzen zu wollen, damit sie zurückkehrt. Also, wenn Sie Ihre Frau wirklich lieben, sollten Sie endlich auspacken. Verraten Sie uns, was hier vor sich geht, Jason. Verraten Sie uns, was mit Ihrer Frau geschehen ist.»
    Jason sagte, was er sagen konnte: «Auf Ehre und Gewissen, Sergeant, ich habe keine Ahnung.»

29.   Kapitel
    Mit einer Begegnung beim Basketballspiel fing alles an. Ethan stellte mir seinen Onkel vor, einen Computerexperten im Dienst der State Police von Massachusetts.
    Wayne Reynolds war nicht das, womit ich gerechnet hatte. Ich dachte, ein Computerfachmann sieht aus wie die Typen aus
Revenge of the Nerds
. Stattdessen bekam ich jemanden präsentiert, der auch als Schauspieler hätte Karriere machen können. Seine kupferroten Haare waren kunstvoll zerzaust, seine Krawatte hing schief. Dieser leicht verstrubbelte Look kommt gut an. Als Frau möchte man einem solchen Kerl den Kragen richten oder eine Strähne aus der Stirn streichen. Er ist groß und athletisch, aber gleichzeitig alles andere als unberührbar.
    Während der fünfundvierzig Minuten unseres ersten Gesprächs hatte ich meine Hände in den Taschen vergraben, um mich nicht zu etwas hinreißen zu lassen, wofür ich mich hätte schämen müssen.
    Er sprach über Computer. Darüber, wie man Festplatten kopiert. Über die Möglichkeit, ungenutzte Datenmengen nach versteckten Inhalten zu durchsuchen. Darüber, wie wichtig es ist, die richtige Software einzusetzen.
    Ich sah seine langen Beine den Schulflur durchmessen und fragte mich, ob die Schenkel und Waden unter den hellbraunen Hosenbeinen so muskulös waren, wie sie es zu sein versprachen. Hatte er rötliches Haar überall am Körper oder nur auf dem Kopf? Ob es sich so seiden anfühlte, wie es aussah?
    Als wir die Halle betraten, um uns das Ende des Basketballspiels anzusehen, war ich ein wenig außer Atem und handelte mir von Ethan argwöhnische Blicke ein. Ich hütete mich, seinen Onkel zu betrachten. Dass Ethan ein schrecklich scharfsinniger Junge ist, hatte ich schon auf leidvolle Weise erfahren.
    Wayne empfahl mir den Kauf einer externen Festplatte und gab mir seine Visitenkarte. Ich steckte sie in meine Handtasche und machte mich mit Ree auf den Weg nach Hause.
    Nachdem ich sie zu Bett gebracht hatte, lernte ich Waynes E-Mail -Adresse und Telefonnummer auswendig, riss dann die Visitenkarte in winzig kleine Stücke und ließ sie im Klo verschwinden. Das Gleiche tat ich mit dem Zettel, auf den ich den Namen der Festplatte notiert hatte. In dieser Phase meines Vorhabens konnte ich mir keine Unachtsamkeit leisten.
    Jason kam gegen zwei zurück. Ich hörte seine Schritte im Flur und den alten Holzstuhl über den Boden schaben, als er ihn unter dem Küchentisch hervorzog, um sich wie üblich vor den Computer zu setzen.
    Um vier wachte ich wieder auf, als er ins Schlafzimmer kam. Er zog sich im Dunkeln aus, und ich fragte mich, wie mein Mann wohl inzwischen aussah. Was mochte sich
unter seinen Hosenbeinen und den schlichten Hemden, die er immer trug, verbergen? Hatte er Haare auf der Brust? Einen kleinen seidenen Haarsteg bis runter zur Leiste?
    Seit
Brokeback Mountain
redete ich mir ein, Jason sei schwul, und es liege nicht an mir, dass er mich nicht berührte. Womöglich bevorzugte er einfach Männer. Aber manchmal ertappte ich ihn dabei, dass er mich verstohlen betrachtete und große Augen dabei machte. Er reagierte auf mich, ganz bestimmt. Aber leider reichte ihm das anscheinend, um mir treu zu bleiben. Um mich zu lieben, reichte es nicht.
    Ich schloss die Augen und stellte mich schlafend, als mein Mann ins Bett stieg.
    Eine halbe Stunde später wälzte ich mich auf die Seite und berührte seine Schulter. Ich spreizte meine Finger auf seinem warmen Rücken, spürte, wie sich seine Muskeln spannten, und fand, dass er sich zumindest das von mir gefallen lassen müsste.
    Aber er nahm meine Hand und wies mich zurück.
    «Lass das», sagte er.
    «Warum?»
    «Ich will schlafen, Sandy.»
    «Ich möchte ein zweites Kind», sagte ich, was durchaus der Wahrheit entsprach. Ich sehnte mich nach einem weiteren Kind oder zumindest nach jemand anderem, der mich liebte.
    «Wir könnten eins adoptieren», sagte er.
    «Himmel, Jason. Bin ich dir so zuwider?»
    Er antwortete nicht. Ich stürmte aus dem Zimmer, rannte nach unten und setzte mich vor den Computer.
Wie ein wütendes, trotziges Kind prüfte ich nach, den Papierkorb – leer – und die URLs in der Browser-Chronik:
New York

Weitere Kostenlose Bücher