Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
Vom Netzwerk:
der Reportermeute, ganz in der Art eines Politikers, der es mit finanzstarken Spendern zu tun hatte.
    D.   D. empfand spontane Abneigung. War er, der seine Tochter fünf Jahre nicht gesehen und dann erfahren hatte, dass sie vermisst wurde, mit dem nächsten Flieger nach Boston gekommen, um jetzt vor den Kameras zu lächeln und sich der Presse anzubiedern?
    Und er machte dabei sogar einen durchaus lockerenEindruck. In seinem schicken hellblauen Anzug, der blassrosafarbenen Krawatte und dem passenden Einstecktuch aus Seide war er ganz der Gentleman aus dem Süden mit dem charmanten Akzent, der hier im Land der verschluckten Rs und kehligen As so wohltuend sanft wirkte.
    Auf dem Weg zu den Übertragungswagen ließ sich Miller zurückfallen und D.   D. vorausgehen. Sie stürzte sich in die Menge.
    «Detective, Detective»,
schallte es von allen Seiten.
    «Sergeant», korrigierte D.   D.   So viel Respekt musste sein.
    «Gibt es Neues über Sandys Verschwinden?»
    «Werden Sie Jason festnehmen?»
    «Wie geht’s der kleinen Ree? Ihre Lehrerin sagt, sie sei seit Mittwoch nicht in der Vorschule gewesen.»
    «Stimmt es, dass Jason seiner Frau verboten hat, mit ihrem Vater in Kontakt zu treten?»
    D.   D. nahm Maxwell Black ins Visier. Offenbar hatte er dem Fragesteller diesen Hinweis zugesteckt. Sie ignorierte die Reporter, legte Maxwell ihre Hand auf die Schulter und führte ihn ein Stück zur Seite.
    «Ich bin Sergeant D.   D.   Warren, und das ist mein Kollege Detective Brian Miller. Wenn Sie nichts dagegen haben, würden wir uns gerne mit Ihnen ein wenig unterhalten.»
    Der Richter schien einverstanden und verabschiedete sich von seinen neugewonnenen Pressefreunden mit einem eleganten Kopfnicken. D.   D. stellte sich die Show vor, die er in seinem Gerichtssaal abziehen würde, undhatte das Bild eines Großmeisters in einem Zirkus mit drei Manegen vor Augen.
    Sie führte ihn zu ihrem Auto, gefolgt von Miller und Reportern, die sich nicht abschütteln lassen wollten und nach pikanten Ermittlungsergebnissen gierten. War Sandra tot? Stand die Verhaftung des Ehemanns bevor? Oder war sogar ihr Vater in Verdacht geraten? Wie auch immer, die Medienmaschine würde an Fahrt aufnehmen und das öffentliche Interesse sprunghaft ansteigen lassen.
    Maxwell setzte sich auf die Rückbank, Miller auf den Beifahrersitz. D.   D. drückte auf die Hupe und gab Gas in bester Britney-Spears-Manier. Die Meute der Kameraleute spritzte auseinander. Ein wenig bedauerte sie es, nicht wenigstens einen von ihnen erwischt zu haben.
    «Sie ermitteln im Fall meiner Tochter?», fragte Maxwell mit mundfauler Aussprache.
    «Ja, Sir.»
    «Ausgezeichnet. Ich habe darauf gehofft, mit Ihnen sprechen zu können. Über meinen Schwiegersohn. Zum einen, ich weiß, dass sein wirklicher Name
nicht
Jason Jones ist.»
     
    Sie brachten den Richter ins Präsidium. Für eine Vernehmung war dies der richtige Ort, und nach all den Turbulenzen, die Jason Jones aufgerührt hatte, sehnte sich D.   D. geradezu danach, den protokollarischen Vorschriften entsprechen zu können. Das Vernehmungszimmer war ein kleiner Raum. Der Kaffee schmeckte scheußlich, aber Maxwell Black, auf einem harten Klappstuhl zwischenTisch und knochenweiß gestrichener Wand eingezwängt, lächelte unverändert charmant – nach Gutsherrenart.
    D.   D. stieß sich an seinem selbstgefälligen Auftreten. Seine Tochter wurde vermisst, und er befand sich in einem luftleeren Raum im Polizeipräsidium. Er hätte zumindest ein wenig schwitzen müssen. Das taten alle normalen Menschen, selbst dann, wenn sie unschuldig waren.
    D.   D. ließ sich viel Zeit. Sie rückte einen Notizblock zurecht und legte ein kleines Diktiergerät in die Mitte des Tisches. Miller lehnte sich mit verschränkten Armen auf seinem Stuhl zurück. Er setzte eine gelangweilte Miene auf, wie immer, wenn er es mit einem Mann zu tun hatte, der viel Aufmerksamkeit gewohnt war.
    «Wann sind Sie in Boston angekommen?», fragte D.   D. in höflichem Plauderton.
    «Gestern am frühen Nachmittag. Ich habe mir wie jeden Morgen beim Kaffee die Nachrichten im Fernsehen angeschaut. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie verblüfft ich war, als ich plötzlich Sandys Foto auf dem Bildschirm sah und von ihrem Verschwinden erfuhr. Für mich stand gleich außer Frage, dass ihr Mann dahintersteckt. Jedenfalls habe ich alles stehen und liegen lassen und bin sofort zum Flughafen gefahren.»
    D.   D. knipste an ihrem Kugelschreiber herum.

Weitere Kostenlose Bücher