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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Haut.
    Plötzlich stand er auf und ging weg.
    Ich presste die Lippen aufeinander, um mir ein frustriertes Stöhnen zu versagen. Tränen traten mir in die Augen, und ich empfand meine Einsamkeit heftiger als während all jener Nächte, in denen er unser Ehebett verließ.
Das ist nicht fair
, wollte ich schreien.
Wie kannst du nur?
    Doch dann hörte ich, wie die Tür zu Rees Zimmer leise verschlossen wurde. Und es rasselte, als er an der Tür zum Gang hinaus die Kette vorlegte.
    Dann senkte sich die Matratze ab, als er ins Bett kam und sich zu mir legte. Ich schlug die Augen auf und sah mich von meinem Mann betrachtet. Seine dunklen Augen waren nicht mehr so leer, nicht mehr so unerforschlich. Er wirkte nervös, sogar ein bisschen schüchtern.
    Mit ruhiger Stimme, wie ich sie kannte, fragte er: «Darf ich dich küssen, Sandra?»
    Ich nickte.
    Mein Mann küsste mich, vorsichtig, sanft, wunderbar.
    Erst jetzt begriff ich. Er hatte meinen vor Nächten geäußerten Wunsch erhört. Mich zu töten war nicht seine Absicht. Er wollte mir ein zweites Kind schenken.
     
    Im Nachhinein ist man immer schlauer und bedauert, nicht früher zur Einsicht gekommen zu sein. Wäre ein Problem eher zur Sprache gekommen, hätten sich nicht so schnell Lügen einschleichen können. Aus Angst oder Feigheit zu schweigen machte alles nur schlimmer.
    Ich hatte Sex mit meinem Gatten. Oder richtiger: Wir
hatten Sex miteinander, langsam, zartfühlend, vorsichtig. Obwohl wir schon seit fünf Jahren ein Paar waren, mussten wir uns erst aneinander gewöhnen, lernen, was es bedeutete, wenn der andere mal so oder mal so heftig nach Luft schnappte.
    Ich hatte geglaubt, die Erfahrenere von uns beiden zu sein. Doch es schien ihm wichtig, die Initiative zu ergreifen. Wenn ich mich zu weit vorwagte, konnte alles vorbei sein, und wir wären wie auf Knopfdruck wieder zwei Fremde, die sich ein Bett teilten.
    Also ließ ich mich von ihm streicheln und entdeckte seine Rippenbögen unter meinen Händen, seine Muskeln und die festen Pobacken. Auf seinem Rücken fühlte ich zwei Dellen, doch als ich sie zu ertasten versuchte, zog er sich zurück. Ich beschränkte mich darauf, seine Haare auf der Brust zu kraulen und seine breiten, kräftigen Schultern zu umfassen.
    Ich weidete mich an seinem Körper und hoffte, dass er auch an meinem Gefallen fand. Schließlich schwebte er über mir, und ich spreizte meine Schenkel, stemmte ihm meine Hüften entgegen und nahm ihn in mich auf. Es kann sein, dass ich vor Lust laut aufgeschrien habe, als ich ihn eindringen spürte.
    Dann bewegten wir uns, und wir brauchten nicht mehr vorsichtig zu sein, nicht mehr befangen. Alles war, wie es sein sollte, und es fühlte sich gut an.
    Danach hielt ich ihn fest umklammert, presste mein Gesicht an seine Schulter und streichelte seine Haare. Er sagte nichts. Seine Wangen waren feucht, ob von Schweiß oder etwas anderem, konnte ich nicht unterscheiden. Ich
genoss es, so mit ihm dazuliegen, die Beine ineinander verschlungen, während sich unser Atem mischte.
    Ich hatte mit vielen Männern Sex, aber nur mit ganz wenigen geschlafen, und Gleiches sollte ich wohl auch meinem Mann zubilligen dürfen.
    Ich schlief ein mit dem Gedanken, dass Familienurlaube am Ende doch etwas Wunderschönes sind.
     
    Jason wälzte sich herum. Es war dunkel, und ich spürte nur, dass er sich bewegte. Es schien, dass ihn ein Albtraum schüttelte. Als ich ihn an der Schulter berührte, wich er jählings zurück.
    «Jason?», flüsterte ich.
    Er ächzte und rückte von mir ab.
    «Jason?», fragte ich, lauter diesmal, aber nicht zu laut. Ich wollte Ree nicht wecken. «Jason, wach auf.»
    Er hatte die Beine angezogen und wippte mit dem Oberkörper auf und ab.
    Als ich mit beiden Händen zupackte und ihn wachzurütteln versuchte, sprang er aus dem Bett, prallte mit einem Stuhl zusammen und stolperte über die Stehlampe.
    «Weg mit dir, weg, weg!», schrie er und verzog sich in eine Ecke. «Ich hab dich umgebracht. Du bist tot, tot, tot.»
    Ich war aufgestanden und streckte wie zur Abwehr beide Arme aus. «Beruhige dich, Jason. Du träumst. Wach auf, Liebling, bitte. Es ist nur ein Traum.»
    Ich knipste die Nachttischlampe an in der Hoffnung, dass das helle Licht ihn zu Sinnen brachte.
    Er kehrte mir den Rücken und wickelte sich in den Vorhang.
    «Geh weg!», wimmerte er. «Bitte, bitte, bitte, verschwinde.»
    Aber ich blieb. Ich trat einen Schritt auf ihn zu, dann noch einen, entschlossen, meinem Mann zu helfen, auch auf

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