Ohne jede Spur
mich.
Mit vierzehn wurde ich zum ersten Mal schwanger. Ich habe niemandem etwas davon gesagt, jede Menge Rum und Coke getrunken und den Himmel angefleht, dass mir das Kind abgeht. Als das nicht half, habe ich meinem Vater Geld aus der Brieftasche geklaut und bin in eine Klinik gegangen, wo solche Sachen für einen erledigt werden.
Ich habe nicht geweint. Die Abtreibung war für mich so was wie Dienst an der Gesellschaft. Ein Leben weniger, das meine Ma hätte ruinieren können.
Wie gesagt, jede Kleinstadt hat ein Mädchen wie mich.
Meine Mutter starb, als ich fünfzehn war. Endlich waren wir, mein Vater und ich, frei, und ich …
Ich träumte nach wie vor davon, gerettet zu werden, von einem Sonny Crockett, der zwar von der Welt die Schnauze voll, trotzdem aber noch ein Herz für diejenigen hat, denen es dreckig geht. Ich wollte einen Mann, der mich hält, beschützt und nie im Stich lässt.
Diesen Sonny Crockett habe ich nie gefunden. Stattdessen traf ich an meinem achtzehnten Geburtstag Jason, meinen zukünftigen Ehemann. Ich saß in einer Bar auf
seinem Hocker, kippte seine Coke runter und legte ihm, als er protestieren wollte, meine Hand auf sein Knie. Er sagte, ich solle mich verpissen, und in dem Moment wusste ich, dass ich ihn nicht mehr loslassen würde.
Retten kann einen natürlich niemand.
Aber jetzt, da ich alles über Jason weiß, verstehe ich auch, warum er es unbedingt versuchen musste.
Es war kurz nach Mittag, und D. D. hatte endlich ein halbwegs gutes Gefühl, was die Ermittlungen anging. Die Vorgehensweise war festgelegt. Sie und ihre Kollegen suchten nach einer erwachsenen Person weiblichen Geschlechts, die nach geltender Regelung noch nicht als vermisst bezeichnet werden konnte, aber so schnell wie möglich gefunden werden musste.
Um 14.06 Uhr allerdings kam eine schlechte Nachricht. Richterin Banyan hatte den Antrag, Jones’ Haus als Tatort versiegeln zu lassen, abgelehnt und verweigerte ihnen den Zugriff auf seinen Computer mit der Begründung, die Beweislage reiche für eine solche Maßnahme nicht aus. Außerdem müsse noch eine Weile abgewartet werden. Dass eine erwachsene Person zehn Stunden nichts von sich hören ließ, sei schließlich nicht ungewöhnlich. Vielleicht habe Sandra Jones eine Freundin besucht oder einen Unfall gehabt; womöglich liege sie im Krankenhaus, außerstande, ihren Namen zu nennen. Vielleicht irre sie schlafwandelnd umher. Vielleicht, vielleicht –
Falls aber – und mit diesen Worten schloss die Richterin – Sandra Jones nach vierundzwanzig Stunden nicht wiederaufgetaucht sei, wolle sie noch einmal darübernachdenken. Vorläufig sei ihnen lediglich gestattet, Jason Jones’ Pick-up zu durchsuchen.
Immerhin etwas, dachte D. D. resigniert. Die in der Waschmaschine gefundene Steppdecke und das Nachthemd hatten ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wären sie verschwunden geblieben, hätte Banyan vielleicht anders entschieden. Aber eine Steppdecke und ein Nachthemd in der Waschmaschine … Und dass eine Lampe zu Bruch ging, konnte in den besten Haushalten passieren.
Was, so fragte sich D. D., mochte der Fund in der Waschmaschine bedeuten? Hatte der Ehemann Spuren zu verwischen versucht, oder waren Steppdecke und Nachthemd schlicht und einfach fällig für die Wäsche gewesen? Mutmaßungen waren gefährlich.
Um 14.15 Uhr meldete sich Detective Miller. D. D. informierte ihn über Banyans Absage. Miller berichtete, was er in der Schule in Erfahrung gebracht hatte. Laut Auskunft des Rektors unterrichtete Sandra Jones seit zwei Jahren Gemeinschaftskunde, zuerst in der Siebten als Aushilfe und seit September als Vollkraft in der Sechsten. Die Schüler schienen sie zu mögen, so auch die Eltern und Kollegen. Privat hatte sie mit Letzteren allerdings kaum zu tun, was denen aber durchaus verständlich war, weil sie von ihr wussten, dass sie ein kleines Kind zu Hause hatte und der Ehemann nachts arbeitete. Der Rektor hatte Ree schon einige Male gesehen und fand sie bezaubernd.
Er konnte sich nicht erklären, warum Sandra nicht zum Dienst erschienen war oder warum sie nicht wenigstenszum Hörer gegriffen hatte, um sich telefonisch abzumelden. Er machte sich Sorgen und war bereit, die Ermittlungen nach Kräften zu unterstützen.
PS: Der Rektor war ein fünfzigjähriger, glücklich verheirateter Mann, der, wie die Sekretärin ausgeplaudert hatte, eine Affäre mit der Schauspiellehrerin hatte, was alle wussten, aber niemanden
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