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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Vater eines Kindes. Selbst wenn ich solche Sachen hätte, würde mich doch meine Tochter davon abhalten, zu tun, was Sie mir da unterstellen.»
    Schulterzucken. «Scheint andere nicht davon abgehalten zu haben.»
    «Verschwinden Sie von meinem Grundstück.»
    «Gleich. Vorher muss ich eines wissen. Haben Sie Ihre Frau umgebracht?»
    «Wie kommen Sie darauf?»
    Schulterzucken. «Weiß nicht. Wir kennen uns nicht, aber ich dachte, frag mal nach. Für mich ist das wichtig.»
    Jason starrte den Burschen eine Minute lang an und hörte sich dann selbst sagen: «Ich habe sie nicht umgebracht.»
    «Okay. Ich auch nicht.»
    «Kennen Sie meine Frau?»
    «Blonde Haare, große braune Augen, eigenartiges Grinsen?»
    «Ja», sagte Jason.
    «Wir sind uns nie begegnet, aber ich hab sie schon öfter hier draußen im Hof gesehen.» Der junge Mann ließ wieder das grüne Gummiband schnappen.
    «Warum sind Sie hier?», wollte Jason wissen.
    «Weil ich Ihre Frau nicht umgebracht habe», wiederholte er und warf einen Blick auf seine Uhr. «Aber in spätestens vier Stunden wird die Polizei davon ausgehen, dass ich es gewesen bin.»
    «Wie kommen Sie darauf?»
    «Es gab da mal so einen Vorfall.»
    «Haben Sie jemanden getötet?»
    «Nein, aber das ist denen egal. So läuft nun mal der Hase. Eine Frau wird vermisst. Die Cops ermitteln in ihrer nächsten Umgebung und ziehen erst einmal den Ehemann in Erwägung. Dann werden die Nachbarn vernommen, und wenn sie auf mich stoßen, haben sie ihre zweite Zielscheibe. Wer von uns beiden kommt wohl eher als Täter in Betracht? Diese Frage hätte ich gern vorab geklärt. Deshalb bin ich hier.»
    Jason runzelte die Stirn. «Verstehe. Wenn ich meiner Frau etwas angetan hätte, wären Sie aus dem Schneider.»
    «Ist doch logisch», erwiderte der Bursche. «Sie behaupten, Ihre Frau nicht getötet zu haben. Von mir weiß ich, dass ich sie nicht getötet habe. Und damit stehen wir vor dem nächsten Problem.»
    «Als da wäre?»
    «Niemand wird uns glauben, weder Ihnen noch mir. Und je mehr wir unsere Unschuld beteuern, desto enger rücken sie uns auf die Pelle. Sie werden kostbare Zeit und Mittel vergeuden, um ein Geständnis aus uns herauszukitzeln, es sei denn, sie kommen dahinter, was mit Ihrer Frau tatsächlich passiert ist.»
    Dem war nichts entgegenzusetzen. Deshalb hatte sich Jason auch der Polizei gegenüber bedeckt gehalten. Er war der Ehemann und als solcher zwangsläufig verdächtig. Sobald er den Mund aufmachte, würden die Ermittler weniger auf Worte der Entlastung achten, sondern vielmehr auf unbedachte Äußerungen, aus denen sie ihm einen Strick drehen konnten. «Sie scheinen Erfahrungen mit so etwas zu haben», sagte er.
    «Habe ich recht?»
    «Vielleicht.»
    «Okay. Gemäß der alten Weisheit, nach der der Feind meines Feindes ein Freund ist, sind wir also jetzt Freunde, denn wir haben in der Polizei unseren gemeinsamen Feind.»
    «Ich weiß nicht einmal, wer Sie sind.»
    «Aidan Brewster. Nachbar, Kfz-Mechaniker, unschuldig. Was wollen Sie noch wissen?»
    Jason krauste die Stirn. Er hatte fast dreißig Stunden nicht geschlafen und war zu abgespannt und müde, um sich auf die absurde Argumentation des jungen Mannes einzulassen. Er war völlig fertig mit den Nerven, seit er, von der Arbeit zurückgekehrt, das gemeinsame Schlafzimmer verlassen vorgefunden und dann, drei Schritte weiter den Flur entlang, die Hand um den Knauf zu Rees Zimmer gelegt hatte, in panischer Angst davor, was ihn hinter der Tür erwartete. Als er dann seine Tochter schlafend in ihrem Bett vorgefunden hatte, war ihm schlagartig klar geworden, dass ihre Unversehrtheit mehr Fragen aufwarf als beantwortete. Nach fünf Jahren friedlichen Familienlebens war mit einem Mal alles aus und vorbei.
    Er war in den Abgrund zurückgekehrt, an jenen Ort, den er besser kannte als die meisten anderen, vermutlich besser noch als dieser Galgenvogel Aidan Brewster.
    Der ließ wieder das Gummiband schnacken und fragte geradeheraus: «Haben Sie Ihre Frau jemals geschlagen?»
    Jason starrte ihn an.
    «Sie können’s mir ruhig sagen», setzte der Nachbar nach. «Wenn die Polizei Sie heute Morgen noch nicht in die Mangel genommen hat, wird sie das sehr bald nachholen.»
    «Ich habe meine Frau nie geschlagen», sagte Jason leise, nicht zur Antwort auf die Frage des Burschen, sondern um sich selbst zu hören und damit in Erinnerung zu bringen, dass zumindest dies der Wahrheit entsprach. Der Urlaub im Februar sollte endlich vergessen

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