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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Notizen. «Brewster. Aidan Brewster.»
    «Aidan Brewster?», wiederholte Pickler. «Nie im Leben.»
    «Doch.»
    Jetzt war es Pickler, die eine Braue in die Stirn zog. Sie wandte sich dem nächsten grauen Metallschrank zu und blätterte ein paar Akten durch. «B   … B   … Brewster. Aidan. Da haben wir ihn. Ich kann allerdings gleich vorwegschicken, er ist ein anständiger Junge.»
    «Anständig für einen vorbestraften Sexualstraftäter», bemerkte D.   D. trocken.
    «Ich bitte Sie. Genau an der Stelle hapert es in unserem Rechtssystem. Eine abstrakte Gruppe von Straftätern wird verteufelt und ohne weitere Fragen in eine Schublade gesteckt. Will sagen: Wenn ein Neunzehnjähriger mit einer Vierzehnjährigen im beiderseitigen Einverständnis Zärtlichkeiten austauscht, wird er in einen Topf geworfen mit jemandem, der dreißig Kinder geschändet hat. Mit gleichem Recht könnte man behaupten, dass ein Serienkiller nicht schlechter ist als ein Mann, der seiner Frau ein blaues Auge gehauen hat. Klar, Mistkerle sind beide, aber es gibt doch wohl noch Unterschiede.»
    «Und inwiefern unterscheidet sich Ihr Aidan Brewster von den schweren Fällen?», fragte D.   D.
    «Er ist der Neunzehnjährige, der mit seiner vierzehnjährigen Stiefschwester Zärtlichkeiten ausgetauscht hat, im beiderseitigen Einverständnis.»
    «Und dafür ist er auf Bewährung?»
    «Dafür hat er sogar zwei Jahre im Gefängnis gesessen.Wäre sie ein Jahr jünger gewesen, hätte man ihm zwanzig Jahre aufgebrummt. Damit er nie wieder auf dumme Gedanken kommt.»
    «Eine Vierzehnjährige ist zu jung, um ihr Einverständnis geben zu können», meinte Miller. Auch er hatte endlich Platz genommen. «Das müsste ein Neunzehnjähriger wissen.»
    Pickler ging darauf nicht ein. «Brewster darf jetzt ein Leben lang dafür büßen, dass er daran nicht gedacht hat. Überführte Sexualstraftäter sind auf immer gebrandmarkt. Auch wenn Brewster die nächsten dreißig Jahre sauber bleibt, er wird immer zu der Gruppe zählen, die unser Rechtssystem verteufelt. Das heißt, sobald er sich um einen Job bewirbt oder eine Wohnung sucht oder eine Staatsgrenze überschreitet, hat er ein Problem. Für einen Dreiundzwanzigjährigen ist das eine ziemlich schwere Bürde.»
    «Wie trägt er sie?», wollte D.   D. wissen.
    «So gut es geht. Er nimmt an einem Programm für Sexualstraftäter teil und erscheint regelmäßig zu den wöchentlichen Sitzungen. Er hat eine Wohnung, einen Job und schlägt sich durch.»
    «Eine Wohnung», wiederholte D.   D.
    Pickler nannte eine Adresse. Sie stimmte mit der überein, die D.   D. bereits kannte. «Weiß der Vermieter Bescheid?», fragte sie.
    «Es ist eine Vermieterin», antwortete Pickler. «Ich habe es ihr gesagt. War zwar den Vorschriften nach nicht nötig, aber ich finde, es ist immer besser, auf der sicheren Seite zu sein. Hätte sie es später herausgefunden undAidan auf die Straße gesetzt, wäre er womöglich abgerutscht. Als seine Bewährungshelferin halte ich es für meine Pflicht, unnötigen Stress von ihm fernzuhalten.»
    «Wie hat die Vermieterin reagiert?»
    «Sie wollte die ganze Geschichte hören und verlangte von mir, jederzeit für sie erreichbar zu sein. Als ich ihr das versicherte, war sie einverstanden. Auch solche Leute gibt’s. Sie wollen einfach Bescheid wissen.»
    «Was ist mit den Nachbarn?», setzte D.   D. nach.
    «Die wissen nichts. Auch die Polizei vor Ort wurde nicht informiert», antwortete Pickler. «Brewster meldet sich natürlich bei der SORD. Ich finde, das reicht angesichts seines Risikoprofils und seiner Teilnahme am Resozialisierungsprogramm.»
    «Soll heißen?», fragte Miller.
    «Dass Brewster auf einem guten Weg ist. Er hat eine feste Adresse, einen festen Arbeitsplatz und besucht seit fast zwei Jahren in aller Regelmäßigkeit seine Selbsthilfegruppe, die einmal in der Woche zusammenkommt. Ich hatte gern mehr Mandanten wie Aidan Brewster.»
    «Klingt ja wie eine richtige Erfolgsstory», frotzelte Miller.
    Pickler zuckte mit den Achseln. «Wie man’s nimmt. Schauen Sie, ich bin jetzt seit achtzehn Jahren im Geschäft. Sechzig Prozent meiner Schützlinge bewähren sich, vielleicht nicht immer auf Anhieb, aber letztlich doch. Die restlichen vierzig Prozent   …» Erneutes Schulterzucken. «Nun, manche von ihnen gehen in den Knast zurück, andere saufen sich zu Tode, und einige begehen Selbstmord. Letztere werden zwar, genau genommen,nicht rückfällig, aber von einem Erfolg kann auch nicht

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