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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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seiner nächsten Auszeit vor dem Computer.
    Ich fragte mich, ob sich der Abgrund wieder auftun würde, ob er jemals die faulenden Rosen gerochen, die Farbe seiner Augen verflucht oder seine eigene Haut gespürt hatte. Aber ich stellte ihn nicht zur Rede. Ich würde ihn nie zur Rede stellen.
    Wie war das noch mit der Lebenslüge? Einfach drüber hinwegsehen.
    Und über einer Schale aufgeweichter Cornflakes wurde mir bewusst, dass ich mich damit arrangieren konnte. Die Lüge ist da, aber ich nehme sie schlichtweg nicht zur
Kenntnis. Wir leben zusammen, aber jeder bleibt für sich, wir lieben uns, bleiben aber auf Distanz. Nicht anders war früher die Beziehung zwischen mir und meiner Mutter, die manchmal mitten in der Nacht unaussprechliche Sachen mit einer Haarbürste anstellte und dann, wenige Stunden später, mit mir am Tisch saß und Buttermilchkekse frühstückte.
    Meine Mutter hat mich auf ein solches Leben bestens vorbereitet.
    Ich warf einen Blick auf meinen Mann, der Cheerios mampfte, und fragte mich, wer ihn wohl vorbereitet hatte.
     
    Die Pressekonferenz im Bostoner Polizeipräsidium begann um drei Minuten nach neun. Kaum war sie zu Ende, klingelte Jasons Handy.
    Er war Sergeant Warrens Einladung nicht gefolgt, hatte stattdessen seiner Tochter die Tränen vom Gesicht gewischt, einem sehr hungrigen Mr   Smith zu fressen gegeben und dann beide, Ree und den Kater, in Sandys Volvo gesetzt. Mr   Smith zählte zu den wenigen Katzen, die gern Auto fuhren, und hatte es sich sofort auf einem sonnigen Fleckchen bequem gemacht. Ree hockte mit ihrem Stofftier Lil’ Bunny im Kindersitz und starrte auf Mr   Smith, als versuchte sie, ihn mit ihren Blicken in Schach zu halten.
    Jason fuhr los, vor allem, um wegzukommen. Er kam sich vor wie auf den offenen Weiten von Kansas, auf die sich aus schwarzem Himmel ein Tornadoschlauch herabschraubte, der ihm schon einen ersten Vorgeschmack seiner unausweichlichen Gewalt ins Gesicht blies.
    Die Cops hatten ihre Pressekonferenz abgehalten. Die Medienmaschine setzte sich langsam, aber sicher in Bewegung. Er war machtlos dagegen. Nichts konnte sie jetzt aufhalten.
    Wieder klingelte das Handy. Er schaute aufs Display und glaubte, verzweifeln zu müssen.
    Im Rückspiegel sah er das ernste Gesicht seiner Tochter, die um ihre Mutter trauerte und sich am Anblick des schlafenden Katers zu trösten versuchte.
    Er klappte das Handy auf und hielt es ans Ohr.
    «Hallo, Greg.»
    «Mensch, Jason», platzte ihm die Stimme des Chefredakteurs der
Boston Daily
ins Ohr. «Warum hast du uns nichts gesagt? Verflucht, wir sind doch eine Familie. Wir hätten Verständnis gezeigt.»
    «Es ist alles nicht so einfach», entgegnete Jason und hörte selbst, wie formelhaft und auswendig gelernt seine Worte klangen. Sie erinnerten ihn an seine Phrasen von früher.
Willst du auf die Titelseite?
Es kostet dich nichts weiter als dein Leben. Oder das deines Kindes. Vielleicht das deiner Frau.
    «Was ist los, Jason? Ich frage nicht als dein Vorgesetzter, das weißt du.» Lüge. Es würde in den nächsten Tagen noch viel gelogen werden. «Ich frage dich als Freund und Kollege, der die Fotos deiner Familie gesehen hat und weiß, wie sehr du an ihr hängst. Wie geht’s jetzt weiter?»
    «Ich lasse den nächsten Tag auf mich zukommen», antwortete Jason.
    «Gibt’s etwas Neues? Die Polizei hat sich nur vage geäußert.»
    «Wir hoffen auf Hinweise aus der Öffentlichkeit», erklärte Jason pflichtschuldig.
    «Und deine Tochter? Clarissa? Wie kommt sie damit zurecht? Kann ich dir irgendwie helfen, Jason?»
    «Danke, dass du fragst, aber nein. Ich lasse den nächsten Tag auf mich zukommen.»
    «Jason   … Junge!»
    «Es tut mir leid, aber du musst heute auf mich verzichten, Greg.»
    «Ja, natürlich. Versteht sich doch von selbst. Du solltest dir eine Woche freinehmen. Egal was du brauchst, wir sind für dich da.»
Aber vergiss uns nicht, okay, Junge? Wir bringen deinen Fall groß raus, Informationen aus erster Hand, aus dem Mund des Ehemanns, als Aufmacher, erste Seite, okay, Junge?
    «Danke für dein Verständnis.»
    «Verlass dich auf uns, Jason. Lass uns wissen, wie wir dir helfen können. Wir glauben an dich. Also wirklich, allein der Gedanke, du hättest Sandra etwas antun können   …»
    «Danke für dein Verständnis.» Jason klappte das Handy zu.
    «Wer war das?», wollte Ree wissen.
    «Daddys ehemaliger Boss», sagte Jason.
     
    Das Polizeipräsidium war ein monströser Block aus Glas und Granit, der

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