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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Frage. Die waren allenfalls spendabel, würden aber im Clinch mit einer jungen Frau wie mir womöglich einem Herzinfarkt erliegen. Ich zog schließlich mit einem der Studenten ab, einem strammen Burschen, testosterongesättigt und bis über beide Ohren grinsend, geschmeichelt, von mir abgeschleppt zu werden.
    Ich ließ mich von ihm ins Studentenwohnheim führen, wo ich ihm Sachen zeigen konnte, die nur in einem Etagenbett möglich sind. Als ich mit ihm durch und er völlig
fertig war, knöpfte ich mir seinen Mitbewohner vor, einen halbgaren Schlaffi, der aber extrem dankbar und für mich auf seine Weise nützlich war.
    Ich ging kurz nach Sonnenaufgang, hängte meinen rosafarbenen Stringtanga als kleines Souvenir an den Türknauf und fuhr mit der U-Bahn ins Hotel zurück. Der Portier bekam fast einen Anfall, als er mich sah. Wahrscheinlich hielt er mich für eine Nutte, was mich aber nicht weiter irritierte, weil ich in dem Augenblick dachte, dass ich in diesem Gewerbe vielleicht ganz richtig läge. Und außerdem hatte ich meinen Schlüssel dabei, sodass ihm nichts anderes übrig blieb, als mich einzulassen.
    Ich ging in mein Zimmer, putzte mir die Zähne, duschte, putzte mir noch einmal die Zähne und ließ mich aufs Bett fallen. Ich schlief fünf Stunden, wie bewusstlos und ohne mich zu rühren. Als ich aufwachte, fühlte ich mich zum ersten Mal seit Monaten rundum wohl.
    Ich hatte also das Richtige getan. Der Rock, die Pumps und das Träger-Top wanderten in den Papierkorb. Ich duschte ein zweites Mal und schrubbte mir die Hände, die nach Sperma, Schweiß und Wodka-Lemon rochen. Dann pflegte ich meine gequetschten Rippen, die von Bartstoppeln aufgerauten Schenkel und die knutschfleckigen Schultern mit meiner nach Orangen duftenden Körperlotion, stieg wieder in meine blaue Cordhose, streifte den lavendelfarbenen Rollkragenpullover über und ging zurück zu meinem Mann.
    Es wird alles gut
, redete ich mir während der gesamten Fahrt nach Southie ein.
Von jetzt an wird alles gut.
    Aber ich wusste längst, dass ich es wieder tun würde.
     
    Mit einer Lüge zu leben ist eigentlich gar nicht so schwer.
    Ich begrüßte meinen Mann mit einem Kuss auf die Wange. Jason gab mir auch einen Kuss und erkundigte sich höflich, wie es gewesen sei.
    «Es geht mir bedeutend besser», antwortete ich wahrheitsgemäß.
    «Das freut mich», sagte er, und seine dunklen Augen verrieten, dass er genau wusste, was ich getrieben hatte. Trotzdem verloren weder er noch ich ein weiteres Wort darüber. So lebt man mit einer Lüge – man sieht einfach von ihr ab, auch wenn sie wie ein Elefant mitten im Raum steht.
    Ich ging nach oben. Packte meine Reisetasche aus. Nahm meine Tochter in den Arm und wiegte sie vor meiner Brust. Und ich stellte fest, dass meine Tochter, die sich genauso anfühlte, genauso duftete und mich genauso liebte wie ehedem, keinen Unterschied machte zwischen Hure oder Hausfrau, Ehebrecherin oder treuer Gattin, wenn ich ihr aus
Runaway Bunny
vorlas und ihr einen Kuss auf die Stirn drückte.
    Während der nächsten Woche zog ich mich nur dann um, wenn ich allein war, aus Rücksicht Jason gegenüber, der aber ohnehin immer nur vor dem Computer hing und mir aus dem Weg ging.
    Einmal, in der siebten oder achten Nacht, als die Bisswunden verheilt waren und ich wieder allein im großen Bett aufwachte, war ich es leid. Ich liebte Jason. Wirklich. Und ich glaubte, er liebte mich. Wirklich. Er wollte einfach nur keinen Sex mit mir haben. Ironie des Schicksals. Ausgerechnet der Mann, der mir endlich Respekt,
Mitgefühl und Verständnis entgegenbrachte, rührte mich nicht an. Aber Liebe bleibt Liebe, oder? Und ist sie nicht das, was wir, wie auch die Beatles singen, alle brauchen?
    Ich zog meinen Bademantel an, ging nach unten und bat meinen Mann, ins Bett zu kommen. Wie gewöhnlich hing er vor dem Computer.
    Mir fiel auf, dass seine Wangen gerötet waren, seine Augen hellwach. Er hatte jede Menge Abrechnungen vor sich liegen, unter anderem einen Online-Antrag für eine Kreditkarte.
    «Lass mich in Ruhe!», blaffte er mich an, so wütend, dass ich mich schleunigst verzog.
    Vier Stunden später saßen wir am Küchentresen und löffelten unsere Cornflakes. Ree saß in der Babyschaukel, und keiner von uns sagte ein Wort.
    Er kaute. Ich kaute. Dann streckte er den Arm aus und nahm meine Hand, ganz behutsam. Zwischen uns war wieder alles okay, einfach so. Bis zu meiner nächsten Auszeit in irgendeinem Hotelzimmer, vermutete ich. Bis zu

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