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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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scharrte, es kratzte, und dann   …
    «Miau   …»
    Ree sprang auf.
    «Miau   …»
    Das Mädchen kam herbeigerannt, schneller, als er es für möglich gehalten hatte, umklammerte mit ihren kleinen Fingern den Knauf und zerrte an der Tür, bevor er das Schloss entriegeln konnte.
    Endlich flog die Tür auf, und der Kater sprang maunzend ins Haus.
    «Mr   Smith, Mr   Smith!» Ree schlang beide Arme um ihren Liebling und drückte ihn so fest an sich, dass er zu fauchen begann.
    So ungestüm, wie sie den Kater begrüßt hatte, warf sie sich plötzlich auf den Boden und brach in Tränen aus. «Ich will, dass Mommy zurückkommt», schluchzte sie. «Ich will meine
Mommy
wiederhaben!»
    Jason hob sie vom Boden auf, setzte sie auf seinen Schoß und streichelte ihre dunklen Locken, bis sie eingeschlafen war.

13.   Kapitel
    Das erste Mal habe ich Jason betrogen, als Ree elf Monate alt war und ich nicht mehr anders konnte nach all den schlaflosen Nächten und erschöpfenden Pflichten. Ich wollte einfach ein bisschen mehr als immer nur stillen, wiegen, wickeln, stillen, wiegen, wickeln. Hinzu kam, dass ich mich bereits für das Fernstudium angemeldet hatte, und wenn das Kind nicht zu versorgen war, musste ich Hausarbeiten schreiben, büffeln und mir mein Schulmathe in Erinnerung rufen.
    Ich fühlte mich entsetzlich ausgelaugt und angespannt zugleich. Manchmal glaubte ich, aus der viel zu engen Haut platzen zu müssen, mir war, als quetschte mir die Schwarte das Gehirn zusammen. Dann fiel mir auf, wie überempfindlich meine Sinne auf Reize reagierten, etwa, wenn ich Rees flauschige Decke berührte oder wenn ich mir unter der Dusche die heißen Wassertropfen auf meine Brüste prasseln ließ.
    Am schlimmsten war das Gefühl, immer tiefer in den Abgrund zu rutschen. Am Ende glaubte ich, in jedem Winkel des Hauses den widerlichen Gestank faulender Rosen wahrnehmen zu können. Ich fürchtete mich vor dem Einschlafen,
weil ich wusste, dass ich irgendwann im Traum die Stimme meiner Mutter hören und aufgeschreckt werden würde von ihrem:
Ich weiß was, was du nicht weißt. Ich weiß was, was du nicht weißt

    Eines Tages ertappte ich mich an der Küchenspüle bei dem Versuch, mir mit einer Drahtbürste die Fingerkuppen wegzuschrubben. Und da wurde mir klar, was es mit diesem Abgrund auf sich hatte, dass meine Mutter, meine eigene Mutter in meinem Kopf ihr Unwesen trieb.
    Es gibt Leute, denen es nicht ausreicht, einmal zu töten.
    Ich habe Jason gesagt, dass ich wegmuss, und sei es nur für einen Tag, vielleicht in ein Hotel, wo ich mich einmal richtig entspannen, den Zimmerservice in Anspruch nehmen und wieder zu Kräften kommen könnte. Ich besorgte mir Broschüren von Hotels mit Wellness-Angeboten, die alle lächerlich teuer waren. Aber ich wusste, Jason würde mir den Wunsch nicht ausschlagen, und das tat er auch nicht.
    Er nahm sich den Freitag und Samstag frei, um auf Clarissa aufpassen zu können.
    «Lass dir Zeit», sagte er. «Hauptsache, du erholst dich ein bisschen. Du hast es verdient.»
    Also bezog ich ein Hotelzimmer für vierhundert Dollar die Nacht. Das Geld, das eigentlich für Wellness-Angebote gedacht war, gab ich in einer teuren Boutique in der Newbury Street aus, wo ich mir ein superknappes Veloursröckchen kaufte, schwarze High Heels von Kate Spade und ein mit silbernen Pailletten besticktes Träger-Top, bei dem sich ein BH erübrigte. Derart aufgetakelt, ließ ich mich in
der Armani Bar blicken, wo sich alles Weitere von selbst ergab.
    Man bedenke, ich war erst neunzehn Jahre alt. Ich hatte noch alle Tricks auf Lager, und, glauben Sie mir, es waren nicht wenige. Das Träger-Top und die High Heels taten ihr Übriges. Ich war nicht zimperlich und blieb bis zwei, kippte einen Grey Goose nach dem anderen und rutschte zwischendurch geilen alten Böcken und schwitzenden Jungs von der Uni auf dem Schoß herum.
    Mich juckte es. Mir wurde heiß, und je mehr ich trank und tanzte, desto mehr wackelte ich mit dem Hintern unter den grapschenden Pranken fremder Kerle, die mich an ihre Leistenbeuge zogen, was ich ihnen leichtmachte, indem ich meine Schenkel spreizte. Ich konnte nicht genug kriegen, weder von den Drinks noch vom Tanzen.
    Ich wollte ficken, bis mir der eigene Name nicht mehr einfiel, in Ekstase toben und schreien bis zur Heiserkeit. Ich wollte ficken, bis sich der Abgrund vor mir endlich schloss.
    Mit meiner Wahl ließ ich mir an diesem Abend noch ein wenig Zeit. Von den alten Knackern kam keiner in

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