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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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wirklich wissen, wie alt ich bin. Und was sagst du, wenn du etwas nicht weißt?»
    «Ich weiß es nicht», antwortete Ree gehorsam.
    «Sehr gut. Wo wohne ich?»
    Ree öffnete den Mund, hielt aber kurz inne und sagte schließlich: «Ich weiß es nicht.»
    Marianne lächelte. «Ich wette, du bist gut in der Vorschule. Eine tüchtige Schülerin, nicht wahr?»
    «Ich bin inte-intellergent», berichtete Ree stolz. «Das sagen alle.»
    «Intelligent? So ist es, und ich bin sehr stolz auf dich. Okay, Regel Nummer drei. Wenn du dich an etwas nicht erinnern kannst, ist das in Ordnung, und du sagst: Ich erinnere mich nicht. In welchem Alter hast du laufen gelernt?»
    «Ich konnte immer schon laufen», antwortete Ree. Aber dann besann sie sich auf die Regel und klatschte in die Hände. «Ich erinnere mich nicht», rief sie und strahlte übers ganze Gesicht.
    «Du bist die beste Schülerin, die ich je hatte», meinte Marianne. Sie saß immer noch im Schneidersitz auf dem Teppich und hielt jetzt nur noch einen Finger in die Luft. «Also gut, meine Musterschülerin. Letzte Regel. Weißt du, wie Regel Nummer vier lautet?»
    «Ich weiß es nicht», rief Ree fröhlich.
    «Du bist wirklich gut. Ich will’s dir verraten. Regel vier: Wenn du eine Frage von mir oder das, was ich sage, nicht verstehst, dann musst du sagen: Ich verstehe nicht.
Capisce?
»
    «Capisce!»
, frohlockte Ree. «Das ist italienisch und heißt ‹alles klar?›. Ich kann Italienisch. Mrs   Suzy bringt uns das bei.»
    Marianne zwinkerte überrascht. Selbst sie schien so vorwitzige Mädchen wie Ree nicht alle Tage zu Gesicht zu bekommen. D.   D. hatte Mühe, ernst zu bleiben. Sie warf einen Blick auf Jason, der immer noch keine Miene verzog. Wo hat der seinen Schalter?, fragte sie sich.
    Sein Anblick brachte sie auf einen Gedanken, den sie sich rasch notierte.
    Im Vernehmungszimmer hatte sich Marianne Jackson offenbar wieder gefangen. «Schön, du kennst also jetzt die Regeln. Und jetzt erzähl mir bitte, Clarissa   –»
    «Ree. Alle nennen mich Ree.»
    «Warum nennen dich alle Ree?»
    «Weil, als ich noch klein war, konnte ich Clarissa nicht aussprechen. Ich habe immer nur Ree gesagt. Mommy und Daddy fanden das lustig und haben mich deshalb auch Ree genannt. Nur nicht, wenn sie mit mir böse sind. Dann sagt Mommy
‹Clarissa Jane Jones›,
und ich muss dann entweder bis drei zählen oder meine Treppen-Auszeit nehmen.»
    «Treppen-Auszeit?»
    «Ja, ich muss mich dann auf die unterste Treppenstufe setzen und vier Minuten stillhalten.»
    «Erzähl mir von Lil’ Bunny. Macht sie auch manchmal Ärger?»
    Clarissa blickte zu Marianne auf. «Lil’ Bunny ist ein Stofftier. Stofftiere können keinen Ärger machen. Nur Menschen.»
    «Sehr gut, Clarissa. Du bist ein sehr gescheites Mädchen.»
    Das Kind strahlte.
    «Dein Stofftier gefällt mir», fuhr Marianne im Plauderton fort. «Als ich in deinem Alter war, hatte ich Winnie Puuh. In dem steckte eine Spieluhr, und wenn man sie aufzog, spielte es ‹Twinkle, Twinkle, Little Star›.»
    «Ja, Puuh ist toll», erwiderte Ree. Sie war jetzt bis auf den Teppich vorgerückt und blickte an Marianne vorbei auf den Korb. «Ist er dadrin, im Korb?»
    «Nein, er sitzt bei mir zu Hause auf dem Bücherregal. Er war meine Lieblingspuppe, und das ist er eigentlich immer noch.» Marianne stellte den Korb vor Ree auf den Teppich. Das Mädchen war jetzt ganz bei der Sache und voller Neugier.
    D.   D. warf wieder einen heimlichen Blick auf Jason Jones, der immer noch keine Regung zeigte. Glücklich, traurig, besorgt, nervös. Nichts von alledem. Sie machte sich eine weitere Notiz.
    «Ree, weißt du, warum du heute hier bist?»
    Das Kind ließ die Schultern hängen, setzte sich zurück und streichelte seinen Hasen. «Daddy sagt, du bist eine nette Frau. Er sagt, wenn ich mit dir rede, wird alles gut.»
    D.   D. registrierte, dass Jason jetzt ein wenig angespannt zu sein schien. Er bewegte sich nicht, gab auch keinen Ton von sich, doch waren seine Halsschlagadern hervorgetreten.
    «Was wird gut, mein Schatz?»
    «Bringst du Mommy zurück?», fragte Ree leise. «MrSmith ist wieder da. Er hat heute Morgen an der Tür gekratzt, und wir haben ihn reingelassen. Ich hab ihn lieb, aber   … Bringst du meine Mommy zurück? Sie fehlt mir so.»
    Marianne musterte das Kind mit mitfühlender Miene, ließ sich aber mit der Antwort Zeit. Es blieb eine Weile still. D.   D. ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen, sah auf den Teppich, die

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