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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Scheinwerfer aufs Haus richten. Reporter würden Ree Fragen stellen, die sie nicht beantworten konnte. Sie hatte eine schwere Stunde hinter sich, und dass man ihr nun noch mehr Angst einjagte, konnte er nicht zulassen.
    Die Polizei hielt ihn für schuldig. Er hatte es den Blicken der drei Beamten nach der Vernehmung angesehen. Die Andeutungen seiner Tochter ließen ja auch kaum einen anderen Schluss zu. Aber er machte ihr keinen Vorwurf. Ihr waren Fragen gestellt worden, auf die sie nach ihrem Verständnis wahrheitsgemäß geantwortet hatte. Gemäß der Vorschrift, die ihr von ihren Eltern immer wieder ans Herz gelegt worden war: Du darfst nicht lügen. Er konnte ihr nicht verübeln, dass sie seinen und Sandras Geboten gefolgt war.
    Er war stolz auf Ree, obwohl ihre Aussage nun unweigerlich dazu führen würde, dass man ihn verhaftete.Wenn nicht heute, dann morgen, dachte er. Die Polizei hatte seinen Müll abtransportiert, sein Kind vernommen und würde noch einmal das ganze Haus durchsuchen, den Computer beschlagnahmen.
    Sie würde Erkundigungen über ihn einholen, Kollegen und Freunde zu kontaktieren versuchen, was sie jedoch in ihren Ermittlungen aufhalten würde. Er verkehrte mit keinem seiner Kollegen und hatte sich nie um Freundschaften bemüht. Außerdem überprüfte er in regelmäßigen Abständen seine «Firewalls»; sie hatten dichtgehalten. Trotzdem, versierten Fachleuten blieb nichts verschlossen, und solche standen der Bostoner Polizei zur Verfügung. Er hatte es nicht mit irgendwelchen Dilettanten zu tun.
    Natürlich würde sich die Polizei auch um den registrierten Sexualstraftäter kümmern müssen, was wiederum Zeit und Ressourcen in Anspruch nahm. Jason hatte den Vogel kennengelernt und hielt es für unwahrscheinlich, dass er gestehen würde. Aidan hatte einen ziemlich abgebrühten Eindruck auf ihn gemacht, ein junger Mann, der mit allen Wassern gewaschen war. Eine harte Nuss für die Ermittler.
    Die Polizei würde mit ihren zwei Tatverdächtigen also jede Menge Arbeit haben. Vielleicht gewann Jason dadurch noch ein bisschen Zeit, drei, vier oder fünf Tage. Nur, die Chance, dass Sandra lebend aufgefunden wurde, verringerte sich von Stunde zu Stunde. Gestern hätte man noch auf einen glücklichen Ausgang hoffen dürfen, vielleicht auch noch an diesem Vormittag.
    Wenn jetzt aber in einigen Stunden die Nacht hereinbrechenwürde und Sandra wäre immer noch nicht aufgetaucht   …
    Falls man ihre Leiche fände, wäre es um ihn geschehen. Die Polizei würde kommen und Ree aus dem Haus holen. Seine Tochter. Das kleine Mädchen, das er mehr als alles andere auf der Welt liebte, würde in ein Heim gesteckt oder Pflegeeltern an die Hand gegeben werden.
    Er konnte Rees Stimme hören, ihren Singsang im Vernehmungszimmer:
«Tu’s bitte nicht. Ich werde alles für mich behalten. Glaub mir. Es erfährt niemand was. Ich liebe dich doch, ich liebe dich immer noch   …»
    Seine Hände, mit denen er das Steuer gepackt hielt, fingen plötzlich zu zittern an. Er kämpfte dagegen an, versuchte, sich zu beruhigen. Er musste nachdenken, in Bewegung bleiben. Er hatte die Presse vor sich, die Polizei im Nacken und seine Tochter an seiner Seite, auf die es Rücksicht zu nehmen galt. Selbstbeherrschung, Probleme verdrängen, darauf verstand er sich.
    Nachdenken, in Bewegung bleiben. Herausfinden, wo Sandra steckte, ehe die Polizei ihm die Tochter wegnehmen würde.
    Dann, als er sich noch einmal durch den Kopf gehen ließ, was seine Tochter ausgesagt hatte, kam ihm ein Gedanke, der einen Schimmer von Hoffnung versprach.
    Er schlüpfte in die Rolle des trauernden Ehemanns und fuhr zur Schule, in der Sandra arbeitete.

17.   Kapitel
    Jason war vierzehn Jahre alt, als er eines Nachts seine Eltern belauschte, die glaubten, er schliefe.
    «Ist dir eigentlich was an seinen Augen aufgefallen?», fragte seine Mutter. «Ob er mit Jani spielt, ob er sich für ein Eis bedankt oder um etwas bittet – sein Ausdruck ist immer derselbe, leer. Seine Augen sind stumpf, so ganz ohne Empfindung. Ich mache mir Sorgen, Stephen, große, große Sorgen um ihn.»
    Richtig so
, hatte Jason damals gedacht.
Das solltest du auch.
    Er steuerte nun auf den Parkplatz der Mittelschule zu, fand eine freie Stelle und schaltete den Motor ab. Ree rührte sich und schlug die Augen auf, geweckt von dem inneren Sensor, den Kinder offenbar haben und der anschlägt, wenn ein Wagen anhält. Sie brauchte noch einen Moment, um wach zu werden, also klappte Jason

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