Ohne jede Spur
Ehemann einiges vorenthalten. Andererseits waren es doch nur einige wenige Tage im Jahr, an denen sie Zeit für sich beanspruchte. Selbst eine so attraktive Frau wie Sandy würde doch unmöglich eine Affäre aufrechterhalten können, die sich auf zwei Nächte im Jahr beschränken musste.
«Und nach der Schule?», murmelte er.
Elizabeth schüttelte den Kopf. «Sandy bleibt nur, wenn es noch eine Konferenz gibt. Ansonsten ist sie immer gleich weg, um Ree abzuholen, mit der sie, wie ich vermute, auch ihre Abende und Nächte verbringt.»
Jason nickte. Von den Kurzurlauben im Wellness-Hotel und ihrem Schuldienst abgesehen, widmete Sandy all ihre Zeit der gemeinsamen Tochter. Und als Anstandsdame eignete sich eine Vierjährige vorzüglich.
«In der Mittagspause?», setzte er nach.
«Das könnte nur funktionieren, wenn der andere Mann ein Kollege wäre und sich die beiden in eine Besenkammer zurückzögen», sagte Elizabeth.
«Gibt es denn einen Kollegen, an dem sie Interesse zeigt?»
«Davon habe ich nichts bemerkt. Hier in der Schule ist Sandy ausschließlich für ihre Schüler da.»
«Auch in den Freistunden?»
«Keine Ahnung. In Freistunden sind die meisten Kollegen mit der Korrektur von Klassenarbeiten beschäftigt, oder wir bereiten uns auf den nächsten Unterricht vor. Natürlich könnte Sandy … Halt, da fällt mir was ein.»
Sie zögerte und schaute ihm wieder in die Augen.
«Sandy hat ein bestimmtes Projekt betreut und mitEthan Hastings, einem Schüler der achten Klasse, an einem Unterrichtsmodell gearbeitet.»
«Ein Unterrichtsmodell?»
«Es ging um Computer. Ethan hat ihr geholfen, einen Lehrplan für einen Computerkurs auszuarbeiten. Einführung in das Arbeiten mit dem Internet. Das Unterrichtsmodell wurde dann in der sechsten Klasse erprobt, und Sandy hat das beaufsichtigt. Das Projekt ist längst abgeschlossen, aber die beiden haben immer noch häufig im Computerraum miteinander zu tun. Ethan arbeitet, wie sie sagt, an einer größeren Sache, und sie hilft ihm dabei.»
«Sandy … und ein Schüler?» Jason konnte es nicht fassen.
Elizabeth zog eine Braue in die Stirn. «Nein», widersprach sie entschieden. «Erstens, Ihre Frau ist in der Tat jung und hübsch, würde sich aber ein derart unprofessionelles Verhalten niemals erlauben, und zweitens, wenn Sie Ethan Hastings kennen würden … nun ja. Ich habe lediglich klarzustellen versucht, dass Sandy auch in ihrer Freistunde keine Zeit für Abenteuer hat.»
Jason schaute auf den Boden und scharrte mit dem Fuß. Er musste an seinem Verdacht, dass Sandy fremdging, festhalten, denn alles andere wäre unendlich viel schlimmer.
«Donnerstagabends kommt Sandy häufig mit Ree, um sich ein Basketballspiel anzusehen», fiel ihm plötzlich ein.
«Und?»
«Sitzt sie vielleicht immer auf demselben Platz? Nebendemselben Mann? Es könnte doch sein, dass sie bei dieser Gelegenheit jemanden kennengelernt hat, einen Schülervater vielleicht.»
Elizabeth zuckte mit den Achseln. «Davon weiß ich nichts, Jason. Auf so etwas achte ich nicht. Ich war in dieser Spielzeit auch nur selten auf der Tribüne.» Sie deutete auf ihr graumeliertes Haar. «Ich bin Großmutter, erstaunlich, nicht wahr? Meine Tochter hat im November ihr erstes Kind zur Welt gebracht. Jetzt bin ich donnerstags abends meist mit meinem Enkel beschäftigt. Ich kann Ihnen aber sagen, wer besser Bescheid weiß. Unsere Basketballmannschaft hat einen neuen Statistiker: Ethan Hastings.»
18. Kapitel
Sergeant D. D. Warren konnte über Colleens angeblich mustergültige, reuige Sexualstraftäter nur müde lächeln. D. D. war seit acht Jahren im Polizeidienst und schon allzu oft zur Stelle gewesen, wenn verzweifelte Mütter von traumatisierten Kindern um Hilfe gebeten hatten. Wenn es um Sexualstraftäter ging, konnte ihrer Meinung nach die Hölle gar nicht heiß genug sein.
Gewöhnliche Mordfälle legte sie meist schnell zu den Akten, anders war das bei missbrauchten Kindern. Sie erinnerte sich, eines Tages in eine Vorschule gerufen worden zu sein, nachdem ein fünfjähriger Junge seiner Lehrerin erzählt hatte, er wäre im Waschraum begrapscht worden. Der mutmaßliche Täter war ein Klassenkamerad, ebenfalls fünf Jahre alt. Es stellte sich heraus, dass der Junge nicht nur mit einem, sondern gleich mit zwei registrierten Sexualstraftätern unter einem Dach lebte. Der eine war sein Vater, der andere sein älterer Bruder. D. D. und ihr Partner hatten den Vorfall dem Jugendamt
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