Ohne jede Spur
Augenschein nehmen, was offen sichtbar war. Aber ein bisschen mehr Aufklärung konnte nicht schaden. Sie ging ins Schlafzimmer und rümpfte die Nase.
«Hatten Sie jemals eine persönliche Begegnung mit Sandra Jones?», hörte sie Miller fragen.
D. D. musterte das zerwühlte Bett, einen Haufen schmutziger Kleidung, fast ausnahmslos Jeans undweiße T-Shirts , und einen Papierkorb mit gebrauchten Taschenbüchern. Unter der Matratze lugte die Ecke eines Heftchens hervor. Wohl ein Tittenmagazin, dachte sie, denn was versteckte man sonst unter einer Matratze?
«Ja, wir sind uns mal über den Weg gelaufen. Aber ich kenne sie nicht», antwortete Aidan. «Ich habe sie manchmal auf der Straße gesehen, zusammen mit ihrem Kind. Aber wenn ich die beiden sah, bin ich immer rüber auf die andere Straßenseite. Ehrenwort. Okay, zugegeben, jetzt erinnere ich mich, wo Sie’s sagen. Sie war auch in der Werkstatt. Aber ich arbeite nicht vorn im Büro. Ich bin hinten, ausschließlich hinten. Vito kennt meine Bewährungsauflagen.»
«Welche Haarfarbe hat sie?», fragte Miller.
«Blond.»
«Und die Augen?»
«Keine Ahnung.»
«Sie ist jung, fast in Ihrem Alter.»
«Hören Sie, nicht mal das wusste ich über sie.»
Mit ihrem Kugelschreiber lupfte D. D. das Heftchen ein Stück hervor. Eine
Penthouse -Nummer
, wie es schien. Nichts Besonderes. Sonderbar, dass Aidan Brewster so etwas unter der Matratze versteckte.
«Erzählen Sie, was Sie in der Nacht auf Donnerstag gemacht haben», sagte Miller. «Sind Sie ausgegangen, waren Sie mit Freunden zusammen?»
D. D. warf ihren Blick auf das, was wie ein Einbauschrank aussah. Die Tür stand eine Handbreit offen. Dahinter waren Kleidungsstücke zu erkennen, ein PaarSocken, Unterwäsche. Vom oberen Boden hing eine Kette herab, mit der man offenbar das Licht anknipsen konnte.
«Ich habe keine Freunde», antwortete Aidan. «Ich gehe weder in Bars, noch hänge ich mit anderen Typen rum. Ich sehe fern, meist Wiederholungen. Am liebsten
Seinfeld
, manchmal auch
Law & Order
.»
«Was haben Sie denn in der Nacht auf Donnerstag gesehen?»
«
Seinfeld
. Die Folge, in der um die Wette gewichst wird», antwortete Aidan trocken. «Dann
Law & Order
, die Folge, in der McCoy einen Sektenführer gibt, der sich für Gott hält.»
D. D. sah noch mehr Berge von Kleidern, wandte sich stirnrunzelnd ab, blickte zurück auf die dreckige Wäsche am Boden neben dem Bett und dann wieder auf die Sachen im Schrank. Wie viele Jeans und weiße T-Shirts brauchte ein einzelner Kerl?
Auffällig unauffällig, unauffällig auffällig.
Sie setzte den Fuß auf den Haufen im Schrank, verlagerte ihr Gewicht darauf und stieß tatsächlich auf einen harten Gegenstand. Metall, dachte sie. Viereckig. Ziemlich groß. Computer? Geldkassette? Mit einem Computer würde Aidan gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen. Interessant.
Sie zog sich wieder zurück, knabberte an ihrer Unterlippe und dachte nach.
«Halten Sie mich nicht zum Narren», sagte Miller. «Es ist ganz leicht, herauszubekommen, was in der Nacht auf Donnerstag im Fernsehen lief. Und wenn Sie mir wasvorgemacht haben, bestelle ich Sie ins Präsidium. Dann sind wir keine Freunde mehr.»
«Ich habe nichts getan!», platzte es aus Aidan heraus.
«Es ist also ein blöder Zufall, dass eine Frau verschwindet, die ganz in Ihrer Nähe wohnt?»
«Eine erwachsene Frau. Sie kennen doch meine Akte. Ich bin nicht scharf auf Moms.»
«Ah, aber sie ist eine junge und sehr hübsche Mom. In Ihrem Alter. Ihr Mann arbeitet nachts. Vielleicht wollte sie bloß ein bisschen Gesellschaft, vielleicht fing zwischen ihnen alles ganz harmlos an. Haben Sie ihr von Ihrer Vorstrafe erzählt, Aidan? Ist sie deswegen ausgerastet?»
«Ich habe nie ein Wort mit ihr gewechselt. Wenn diese Frau auf der Straße war, hatte sie immer ihr Kind dabei. Und um Kinder mache ich einen großen Bogen.»
«Sie haben Ihren Job verloren, Aidan. Muss schlimm für Sie sein.»
«Ja, verdammt!»
«Ihre Kollegen scheinen Ihnen einiges zuzutrauen. Und jetzt wollen sie Ihnen die Hölle heißmachen. Dass Sie Schiss haben, kann ich gut verstehen.»
«Ja, verdammt!»
«Tut das Handgelenk nicht weh?», fragte Miller unvermittelt.
«He?»
«Sie lassen seit zehn Minuten ununterbrochen ein Gummi an Ihr Handgelenk klatschen. Gehört das zu Ihrem Programm? Traktieren Sie sich mit dem Gummi, sobald Ihnen unkeusche Gedanken an kleine Kinder inden Sinn kommen? Dann muss es ja heute ganz schön wild in
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