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Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Titel: Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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Schulden zu entkommen. Auf der Fähre nach Schweden saßen Chris und ich abends mit einer Decke über den Knien und einer Thermoskanne Tee auf dem Deck, sahen zu den Sternen hinauf und planten Sparmaßnahmen, als ginge es um einen Militäreinsatz, weil wir auf keinen Fall noch einmal einen Kredit aufnehmen wollten. Wir wollten nie wieder Drohbriefe von der Bank bekommen oder hilflos vor einem monströsen Berg Rechnungen stehen, nie wieder!

U M SIE ZU UNTERBRECHEN , stand ich auf. Ich ging zum Fenster und lehnte die Stirn gegen die Scheibe. Ich war mir völlig sicher gewesen, dass meine Eltern ihren Ruhestand bequem finanzieren konnten. Sie hatten fünf Wohnungen, ihr eigenes Haus und ihr Geschäft verkauft. Sicher, die schlechte Wirtschaftslage hatte den Wert der Grundstücke gedrückt, aber ich hatte nie den Eindruck gehabt, sie würden ihre Entscheidungen aus der Not heraus treffen. Sie hatten immer gelächelt und Scherze gemacht. Dabei hatten sie mir was vorgespielt, und ich war darauf hereingefallen. Sie hatten so getan, als seien ihre Entscheidungen Teil eines großen Plans gewesen. Als sollte der Umzug nach Schweden ihnen ein neues Lebensgefühl bringen und nicht ihr Überleben sichern. Ich hatte mir vorgestellt, sie würden auf dem Hof ein gemütliches Leben führen und ihr Gemüse selbst anbauen, weil sie es wollten, und nicht, weil es bitter nötig war. Besonders unangenehm war mir, dass ich überlegt hatte, die beiden um einen kleinen Privatkredit zu bitten, weil ich gedacht hatte, zweitausend Pfund seien für sie nicht weiter erwähnenswert. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, in welche Probleme ich sie damit gestürzt hätte.
    Wäre ich reich gewesen, hätte ich Mum mein ganzes Geld angeboten, jeden Penny, und sie um Verzeihung gebeten. Aber ich konnte ihr nichts geben. Ich fragte mich, ob ich meine mageren Finanzen auf die leichte Schulter genommen hatte, weil ich mir sicher war, dass die Menschen, die mir nahestanden – meine Eltern und Mark –, abgesichert waren. Meine Mum kam zum Fenster herüber, sie hatte meine Reaktion missverstanden.
    »Das Geld ist im Moment unsere geringste Sorge.«
    Das stimmte nur zum Teil. Meine Familie hatte finanzielle Probleme, daran gab es nichts zu deuteln. Doch offensichtlich waren das nicht die Probleme, über die meine Mutter reden wollte, und nicht der Grund, aus dem sie heute Morgen in ein Flugzeug gestiegen war. Plötzlich überlegte ich, was ich sonst noch alles nicht wusste, wenn ich schon von ihren Geldproblemen nichts geahnt hatte. Noch vor ein paar Minuten hatte ich nicht glauben können, wie sie meinen Vater beschrieben hatte. Dabei hätte ich mir nicht so sicher sein sollen. Zwar hatte ich für die Geschichte meiner Mutter noch keinen handfesten Beweis, wohl aber dafür, dass ich meiner Urteilskraft nicht trauen konnte. Der einzig logische Schluss wäre gewesen, jetzt zuzugeben, dass ich der Aufgabe nicht gewachsen war, und zu überlegen, ob ich Hilfe brauchte. Aber ich hielt mich zurück, weil ich beweisen wollte, dass meine Mum sich in ihrer Notlage auf mich verlassen konnte.
    Weil ich kein Recht hatte, böse zu werden, nachdem ich sie selbst jahrelang belogen hatte, fragte ich möglichst sanft:
    »Wann wolltet ihr es mir sagen?«
    Wir wollten dir alles erzählen, wenn du uns auf dem Hof besuchst. Wir hatten Angst, du würdest unsere Pläne für unrealistisch und nicht umsetzbar halten, wenn wir dir noch in London sagen, dass wir als Selbstversorger leben wollen. Auf dem Hof hättest du unser Gemüsebeet gesehen und Sachen gegessen, für die wir keinen Penny bezahlt haben. Wir wären zwischen unseren Obstbäumen spazieren gegangen. Du hättest körbeweise Pilze und Beeren gesammelt, die wild im Wald wachsen. Du hättest eine Speisekammer voll selbst gemachter Marmelade und eingelegter Früchte gesehen. Dein Vater hätte einen Lachs aus dem Fluss geangelt, und wir hätten wie die Fürsten gespeist, vollgestopft mit dem köstlichsten Essen der Welt, und das völlig umsonst. Es hätte nichts gemacht, dass wir kein Geld haben. Wir wären auf andere Art reich gewesen. Wir hätten auch so gut gelebt. Das lässt sich leichter zeigen als erklären. Deshalb haben wir uns insgeheim gefreut, dass du deinen Besuch verschoben hast, weil wir dadurch mehr Zeit hatten. Wir hätten den Hof herrichten und dir zeigen können, dass es uns gut geht und du dir keine Sorgen machen musst.

M EIN ERSTER BESUCH auf dem Hof wäre ein Fest mit sorgfältig gehegtem Gemüse und

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