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Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Titel: Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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kennst ihn ja – Zahlen interessieren ihn nicht. Er hat mich machen lassen. Ich habe die Wohnungen gesucht. Ich habe sie ausgewählt. Nach sechs Monaten gehörten uns fünf, aus denen zehn werden sollten; die Zahl hatte ich mir nur ausgedacht, weil sie besser klingt als neun. Wir fingen an, von unserem »Immobilienportfolio« zu reden. Ich werde rot, wenn ich daran denke. Wir sprachen über diese Wohnungen, als hätten wir sie mit eigenen Händen gebaut. Und staunten, wie der Wert in einem einzigen Jahr um sieben-acht-neun Prozent gestiegen war.
    Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass es nicht direkt Gier war. Ich wollte für unseren Ruhestand vorsorgen. Eine Gärtnerei zu führen ist Knochenarbeit. Ewig hätten wir das nicht gekonnt. Wir waren nicht mal sicher, ob wir noch ein Jahr schaffen würden. Wir hatten nichts gespart. Keine Rente. Das war unser Ausweg.
    Jetzt sagen sie, ich sei verrückt, dabei war ich vor fünf Jahren verrückt, wenigstens ein bisschen. Anders kann ich es nicht erklären. Ich habe den Verstand verloren. Ich habe mich auf Geschäfte eingelassen, von denen ich keine Ahnung hatte, und dafür die Arbeit aufgegeben, die unsere Lebensgrundlage war und von der wir wirklich etwas verstanden haben.
    Als die Rezession zuschlug, wäre unsere Bank fast pleitegegangen. Dasselbe Institut, das uns überredet hat, Geld aufzunehmen und zu investieren, sah auf uns herab wie auf etwas Abscheuliches. Dabei hatten die Banker uns zu all dem ermuntert! Nun wollten sie ihr Geld noch schneller zurückhaben, als sie es uns nachgeworfen hatten. Wir mussten alles verkaufen, alle fünf Wohnungen, das wusstest du ja schon, aber nicht, welchen Verlust wir bei jeder gemacht haben. Wir hatten eine Anzahlung auf eine Neubauwohnung geleistet. Weil wir den Kauf nicht durchziehen konnten, haben wir das Geld verloren. Komplett verloren! Wir standen mit dem Rücken zur Wand. Wir haben unser Haus und die Gärtnerei verkauft. Und nicht nur dir, sondern auch allen anderen vorgemacht, das wäre ein Teil unseres großen Plans. Wir gingen früher in den Ruhestand unter dem Vorwand, wir seien das ganze Geschäft leid. Das war gelogen. Wir hatten keine andere Wahl.
    Mit dem wenigen Geld, das noch übrig war, haben wir den Hof in Schweden gekauft. Deshalb haben wir uns etwas Einsames und Abgewirtschaftetes gesucht. Dir haben wir erzählt, wir hätten es genommen, weil es so idyllisch war. Das stimmte auch, aber vor allem war es billig, wir haben dafür weniger bezahlt als in London für eine Garage. Trotzdem blieben uns nach den Umzugskosten nur noch neuntausend Pfund. Jeder Finanzberater würde dir erklären, dass man mit einer solchen Summe schlicht nicht auskommen kann, nicht zu zweit, jeder mit viereinhalb Tausend Pfund, und das, wo wir erst gute sechzig sind – wir könnten noch dreißig Jahre leben. Ohne Rücklagen oder Einkommen. Wir haben unsere ganze Zukunft auf einen Hof irgendwo im Nirgendwo gesetzt, und das in einem Land, das ich seit fünfzig Jahren nicht mehr kannte.
    In London kommt man ohne Geld nicht zurecht. Für den Bus musst du schon zwei Pfund zahlen. Ein Laib Brot vom Markt kann vier Pfund kosten. Auf unserem Hof wollten wir ein vollkommen anderes Leben führen, wir wollten ohne Kreditkarten und Bargeld glücklich werden. Unsere Erledigungen wollten wir mit dem Fahrrad machen und Benzin nur im Notfall verbrauchen. Wir mussten auch nicht mehr verreisen. Warum sollte man in den Urlaub fahren, wenn man an einem der schönsten Fleckchen der Erde lebt? Im Sommer kann man im Fluss schwimmen, im Winter schneit es, dass man Skifahren kann. Und völlig umsonst. Wir wollten uns wieder auf die Natur einstimmen und uns selbst versorgen, wir hatten schon Pläne für ein großes Gemüsebeet und wollten die Ernte mit Körben voller Wildbeeren und Pfifferlingen aufstocken, für die man hier in den Delikatessenläden Tausende Pfund bezahlen müsste. Dein Vater und ich wollten wieder tun, was wir immer getan hatten, was wir am besten konnten, wozu wir auf dieser Erde waren – säen und ernten.
    Solche Pläne klingen vielleicht armselig, aber das waren sie nicht. Ich fand es nicht deprimierend. Wir stutzten unser Leben nicht auf das Nötigste zurück, weil wir den frommen Gedanken hatten, Entbehrungen seien gut für die Seele. Wir wollten Unabhängigkeit, und dafür mussten wir aufpassen, dass wir nicht über unsere Verhältnisse lebten. Wie Pilger machten wir uns auf die Suche nach einem neuen Leben, um unseren drückenden

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