Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
zu bewohntem Gebiet. Kann es sein, dass jemand im Wald lebt?
10. Dezember – Heute habe ich den Elch nicht gesehen. Ich bin weiter gegangen als vorher. Es ist anstrengend, im tiefen Schnee Fallholz zu sammeln, und ich war erschöpft. Ich habe kaum etwas nach Hause gebracht.
11. Dezember – Ich habe wieder Fußabdrücke gesehen. Obwohl sie tiefer in den Wald führten, wollte ich ihnen folgen, ich hoffte, ich würde meinen Stapel Brennholz finden oder denjenigen, der ihn mir gestohlen hatte. Die Fußspuren führten mich zu einer Insel mitten im gefrorenen Fluss. Auf dieser kleinen Insel stand eine Holzhütte. Sie war viel kleiner als ein Bauernhaus. Aus dem Fenster schien kein Licht, und ich weiß nicht genau, wofür diese Hütte gedacht war. Sie war nicht groß genug, um darin zu wohnen. Davor lag das Holz, das ich geschlagen hatte. Ich klopfte an, doch niemand öffnete. Weil das Holz mir gehörte, nahm ich so viel mit, wie ich konnte. Ich hatte Angst, erwischt zu werden, und beeilte mich, von dieser seltsamen Hütte fortzukommen.
14. Dezember – Mehrere Tage lang hatte ich zu viel Angst, wieder in den Wald zu gehen, weil ich den Bewohner der Hütte treffen könnte. Aber mein Holzvorrat war zur Neige gegangen, ich musste zurückgehen, und ich war fest entschlossen, mehr von meinem Holz zu holen. Auf der Insel angekommen sah ich Licht im Fenster der Hütte. Es war jemand darin. Ich hatte Angst und fand es zu gefährlich. Ich wollte mit meinem Schlitten schnell weglaufen, doch die Stahlkufen kratzten laut über das Eis, und als ich mich umsah, stand der Mann vor der Hütte. Er kam auf mich zu. Ich hatte solche Angst, dass ich meinen Schlitten stehen ließ und floh, so schnell ich konnte. Ich rutschte auf dem Eis aus, aber ich sah mich nicht mehr um, bis ich wieder aus dem Wald heraus war. Das war dumm. Jetzt habe ich weder Holz noch einen Schlitten. Ich bin verzweifelt.
17. Dezember – Im Haus ist es eiskalt. Mir wird einfach nicht warm. Wo ist mein Mann? Es kam immer noch keine Nachricht von ihm. Ich bin allein. Ich kann kaum den Stift halten. Ohne meinen Schlitten komme ich nicht zurecht. Ich werde den Mann in der Hütte zur Rede stellen. Er darf nicht einfach behalten, was mir gehört. Warum habe ich bloß solche Angst bekommen? Ich muss stark sein.
18. Dezember – Ich bin zu der Insel und der Hütte zurückgekehrt, mit meiner Axt in der Hand, um mich notfalls zu verteidigen. Von Weitem habe ich Licht in der Hütte gesehen. Aus dem Abzug stieg Rauch. Ich sagte mir, ich müsse tapfer sein. An der Spitze der Insel fand ich meinen Schlitten, beladen mit Brennholz. Scheinbar hatte ich mich in dem Mann geirrt. Er war nicht mein Feind. Er war mein Freund. Erfreut beschloss ich, mich bei ihm zu bedanken. Vielleicht wünschte er sich im Gegenzug nur meine Gesellschaft. Es musste einsam sein, hier im Wald zu leben. Ich klopfte bei ihm an. Keine Reaktion. Also öffnete ich die Tür. Vor mir stand eine missgestaltete Frau, ihr Bauch war aufgebläht, die Arme spindeldürr. Bevor ich schreien konnte, wurde mir klar, dass ich mich selbst in einem gebogenen Spiegel sah. Wie seltsam, dass jemand einen solchen Spiegel besitzt! Aber in dieser Hütte fanden sich noch mehr seltsame Dinge. Es gab kein Bett. Stattdessen lag in einer Ecke ein Haufen Sägespäne. Weder Essen noch eine Küche konnte ich entdecken. Was war das für ein Zuhause? Mir wurde ganz bang, und ich ging. Als ich zu Hause ein Feuer entfachte, bemerkte ich, dass in die Holzscheite Gesichter geschnitzt waren. Groteske Gesichter mit scheußlichen Augen und scharfen Zähnen. Ich konnte sie nicht behalten. Sie machten mir Angst. Ich warf alle ins Feuer, was Verschwendung war, und baute einen Scheiterhaufen aus brennenden Gesichtern. Plötzlich juckte mein Rücken schrecklich, als würde sich etwas durch meine Haut fressen. Ich riss mir die Bluse herunter und warf sie zu Boden, aber es fiel kein Insekt heraus, sondern nur ein rauer Holzspan. Ich hob ihn auf, warf ihn auch auf das Feuer und schwor mir, nie wieder zu der Hütte zu gehen, egal, wie sehr ich friere. Aber ich fürchte, ich könnte doch wieder hingehen. Ich fürchte, ich habe keine andere Wahl. Und ich fürchte mich vor dem, was dann passieren wird.
W ÄHREND MEINE MUM VORLAS , schwand ihre Verachtung für den Text nach und nach. Am Ende war sie von der Geschichte gefangen und konnte nicht mehr distanziert bleiben. Ich hatte den Eindruck, dass sie merkte, wie widersprüchlich ihre Signale waren. Als sie
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