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Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Titel: Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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einweben können. Bisher hatte sie es nur angedeutet, aber es schien darauf hinauszulaufen, dass eine verletzliche junge Frau sexuell missbraucht worden war. Ich sah meinen Namen in der sonst leeren Mail noch deutlich vor mir:
    Daniel!
    Und ich hatte auf ihre verzweifelte Mail nur mit unbekümmerter Gleichgültigkeit reagiert. Ich hatte nicht geahnt, dass ich für Mum die einzige Hoffnung war, der Einzige, der ihr glauben würde. Ihre Verschwörungstheorie begann sich langsam in mir festzusetzen.
    »Mum, nach dieser Mail hätte ich nach Schweden fliegen sollen.«
    Meine Mum winkte mich zum Sofa, und ich gehorchte. Sie setzte sich zu mir.
    »Machen wir uns deswegen jetzt keine Gedanken. Was passiert ist, ist passiert. Und jetzt bin ich hier bei dir. Wir haben es fast geschafft. Ich habe nur noch ein Beweisstück.«
    Meine Mum öffnete ihre Handtasche, als wollte sie mir Taschengeld geben:
    »Halt die Hand auf.«
    Ich streckte ihr eine Hand entgegen.
    Das ist ein Zahn von einem Menschen. Tierzähne sehen so nicht aus, schwarz verbrannt, ohne Fleisch oder Gewebereste.
    Jetzt willst du wissen, ob ich glaube, dass das Mias Zahn ist. Wenn ich Ja sage, hast du nämlich deinen Beweis. Ich bin verrückt, und du musst mich ins Krankenhaus bringen.
    Meine Antwort lautet …
    Es ist ein Milchzahn, ein Zahn von einem Kind. Mia war sechzehn, also kann es nicht ihr Zahn sein, und ich habe das auch nie behauptet.
    An diesen Zahn bin ich ein paar Stunden vor dem Gespräch mit Doktor Norling gekommen. Wir waren für nachmittags verabredet – er hat die Zeit ausgesucht, nicht ich. Ich dachte erst, das hätte nichts zu bedeuten, aber es ist sehr wichtig, die Reihenfolge ist entscheidend, damit wollten sie mich in den Wahnsinn treiben.
    Weil ich den Vormittag für mich hatte, beschloss ich, nicht zu arbeiten. Ich musste ausgeruht sein und meine fünf Sinne beisammenhaben. Wenn ich Doktor Norlings Beurteilung nicht bestand, war ich erledigt, es konnte mich meine Freiheit kosten. Denn ob ich eingesperrt wurde, entschieden keine fairen Zuhörer, es lag vielmehr in der Hand einer meiner Feinde. War ich compos mentis ? Wenn ich seine Tests nicht bestand, würden sie mich von seinem Strandhaus ins Krankenhaus bringen, wo Norling persönlich für meine Einweisung sorgen würde. Ich konnte den Termin nicht einfach ignorieren, obwohl er offensichtlich eine Falle war. Wenn ich nicht hinging, würden sie das als Beweis nehmen, dass ich wahnsinnig war, und mich einfangen. Also würde ich pünktlich und anständig gekleidet dort erscheinen und mir keine Blöße geben, auf keinen Fall – das war die Lösung, ich würde mir keine Blöße geben. Würde in ihre Falle spazieren und mich gleich wieder hinauswinden! Ich würde nichts über einen Mord oder eine Verschwörung sagen, kein Wort, sondern nur über den Hof reden, den Umbau der Scheune, das Lachsfischen, Gemüsebeete, selbst gemachte Marmelade, ich würde das brave, harmlose Frauchen spielen, das mit seinem neuen Leben rundum zufrieden ist, das es nicht leicht hat, das nicht, das auch sicher von der schweren Arbeit müde ist, aber das sich auf viele glückliche Jahre freut. Ich würde mir keine Blöße geben, nicht mit der Stirn runzeln, keinen einzigen Vorwurf äußern, keinen finsteren Gedanken – was wollte der Arzt dann machen?
    Mein Plan war gut. In den nächsten Stunden wollte ich alles vermeiden, was mich aufregen konnte. Ich fuhr ein bisschen mit dem Boot herum. Ich schwamm. Als ich entspannt auf dem Steg saß und die Füße ins Wasser baumeln ließ, sah ich von Weitem, dass über dem Wald schwarzer Rauch aufstieg. Ich war mir ganz sicher, dass er von der Träneninsel kam.
    Barfuß sprang ich ins Boot, drehte den Elektromotor voll auf und fuhr flussaufwärts, vorbei an Håkans Hof. Sein Boot lag nicht am Steg. Er musste auf dem Fluss sein. Vielleicht war er schon dort. Ich fuhr weiter, so schnell ich konnte, und ließ den aufsteigenden Rauch nicht aus den Augen. Als ich den Wald erreichte, roch es nach Chemie. Das war kein natürliches Feuer. Das war Benzin. Die Träneninsel vor mir stand in Flammen. Die Hütte weiter hinten war von Flammen umhüllt, die doppelt so groß waren wie ich. Glut fiel zischend aufs Wasser, aber ich hielt das Boot nicht an, ich wurde nicht langsamer, ich zielte auf die Spitze der Insel und rammte sie, mit einem Ruck fuhr ich ans matschige Ufer, sprang heraus und duckte mich vor den heißen Flammen. Zum Glück lag im Boot ein Behälter, um Regenwasser zu

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