Ohne Kuss ins Bett
Küche dagegen wies Anzeichen von Leben auf – North entdeckte Bananen, die in einer Schüssel auf der Arbeitsfläche braun wurden; er öffnete einen Schrank und fand Schokoladenraspel und Nüsse, Mehl und Zucker, und dachte: Hier ist Andie zugange – aber die düstere kleine Speisekammer hinter der Küche war fast leer, abgesehen von ein paar alten Gewürzen und getrockneten Kräutern, einem halben Dutzend halb leerer Flaschen teurer Alkoholsorten, die North als Southies Einkäufe erkannte, und einer Kanne Tee, in der Teeblätter einen schleimigen Bodensatz bildeten. Das Esszimmer und der Salon stellten mehr oder weniger Lagerraum für unbenützte Möbel dar. In diesen Räumen lag nicht nur nichts herum, was auf einen Gebrauch schließen ließ, es gab auch keinerlei ordentlich aufgeräumte Gebrauchsgegenstände: keine Teller in dem Regal im Esszimmer, keine Fotos auf den Tischchen im Salon, nichts, außer den Möbeln und den Gemälden an den Wänden.
»Das ist ein seltsames Haus«, meinte Gabe, als sie sich der Bibliothek zuwandten. »Als ob niemand hier leben würde.«
»Sie leben hier«, erwiderte North grimmig, »aber das sollten sie eigentlich nicht.«
Dann öffnete Gabe die Tür zur Bibliothek und rief aus: »Na, das ist doch endlich mal was anderes.«
North trat hinter ihm ein und betrachtete zum ersten Mal bewusst den Raum. Am Abend zuvor, als er voller Menschen gewesen war und Alice sich die Seele aus dem Leib geschrien hatte, hatte er ihn als Bibliothek registriert, da an allen Wänden Bücher in Regalen standen, doch jetzt, im kalten Morgenlicht, war deutlich zu bemerken, dass dieser Raum benützt wurde. Auf dem Fenstersitz türmten sich Bücher und Papierblätter, der große Tisch in der Mitte des Raumes war mit Arbeitsbüchern und Papier und Aufgabenbüchern beladen, und weitere Bücher lagen vor dem offenen Kamin, wo offensichtlich jemand ausgestreckt gelegen und gelesen hatte.
»Ich glaube, hier unterrichtet Andie die Kinder«, meinte North, und im nächsten Augenblick hörte er Kelly O’Keefe »Oh, halloo« vom Fuß der Steintreppe her rufen. »Wir sehen uns hier später um. Nehmen Sie sich vor dieser Frau in Acht«, warnte er, und Gabe nickte und winkte Kelly nur kurz zu, woraufhin sie sofort fragte: »Sind Sie nicht Gabe McKenna, der Detektiv ? «, und ihnen zur Kellertür hinterherlief.
»Verlassen Sie dieses Haus«, entgegnete North scharf, »noch heute«, und schloss die Kellertür vor ihrer Nase.
Als Andie und Alice in die Küche kamen, hatte Flo das Frühstück für alle zubereitet und die Küche wieder aufgeräumt, und so holte Andie für Alice das Müsli und die Milch und trug alles in die Bibliothek, wo Carter in einem Buch las und Kellys Bemühungen, mit ihm ins Gespräch zu kommen, ignorierte.
»Raus hier«, herrschte Andie Kelly an, als sie sie dort erblickte. »Raus aus diesem Haus, und raus aus unserem Leben!«
»Also wirklich«, rief Kelly, aber sie verließ den Raum.
Andie kümmerte sich darum, dass das offene Gaskaminfeuer brannte, dann ging sie auf die Suche nach Isolde.
»Wir müssen noch eine Séance abhalten«, begann sie, als sie das Medium mit gerunzelter Stirn mitten in der Großen Halle stehend fand.
»Ganz schlecht«, erwiderte Isolde. »Hier sind viel zu viele Leute, zu viel Spannung.«
Andie blickte sich um. Noch immer nichts von May zu sehen. »Könnten wir in irgendeinen Raum mit offenem Kamin gehen?«
Isolde hob die Augenbrauen, folgte ihr aber in den Salon, wo Kelly vor dem Kaminfeuer mit Bill und Southie stritt.
»Nicht hier«, meinte Andie und führte Isolde ins Esszimmer, wo Dennis Papiere ausgebreitet hatte und sich Notizen machte. Er blickte zu ihnen auf, als wünschte er, dass sie ihn allein ließen, doch sie ignorierten ihn, und so erhob er sich und marschierte in die Küche, demonstrativ empört oder auch einem akuten Hungeranfall nachgebend.
Andie drehte das Gasfeuer an und wandte sich dann dem Medium zu. »Letzte Nacht war May in mir, in meinem Körper, sie hat mich besessen. Wir müssen sie ausbremsen, alle drei, wir müssen sie uns endlich vom Hals schaffen.«
»Ach, verflucht«, stieß Isolde hervor. »Sie hat Sie besessen? Und jetzt, geht es Ihnen wieder gut?«
»Nein, überhaupt nicht«, erwiderte Andie. »Wenn wir sie darum bitten, verschwinden sie dann?«
»Nein. Die haben hier alles, was sie wollen. Warum sollten sie weggehen?«
»Können Sie deren Gedanken lesen oder so ähnlich? Herausfinden, wie man sie loswerden
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