Ohne Kuss ins Bett
ja, das war eine Frage der Zeit.
Alice war zu jeder Zusammenarbeit bereit, wenn sie mit einer Belohnung verbunden war, und so fuhr Andie oft mit ihr ins Einkaufzentrum. Das Ergebnis war, dass alle Schlafzimmer schließlich in unterschiedlichen Farben ausgestattet waren: rote und schwarze Stores, Bettbezüge mit kürbisorangefarbenen Streifen, purpurrote Flecken, ein grellgrünes Blättermuster, ein extravagantes buntes Punktemuster, bei dessen Anblick es Andie schwindelig wurde, und eine grüne Sesam-straße-Decke mit Bert und Ernie darauf. Jedes Mal rief Alice begeistert aus: »Sooooo schöööön«, und da Andie in keinem der Bettbezüge schlafen musste, meinte sie nur: »Jawohl«, und ging zur Tagesordnung über. Alice und Andie strichen die Wände in Alice ’ Zimmer weiß, und an den darauffolgenden Tagen verbrachte Alice viel Zeit damit, mit ihren Markerstiften Bilder auf die Wände zu malen. Der schwarze Stift begann bald, schwächer zu werden, da sie zunächst alles mit ihm malte, und dem roten Stift ging es nicht viel besser, denn in Alice ’ Fantasie gab es eine Menge Blut, doch der blaue Stift war als Erster vollkommen am Ende, da sie mit ihm viele Schmetterlinge und eine Frau in einem langen blauen Kleid malte. »Wer ist denn das?«, erkundigte sich Andie, und Alice erwiderte, ohne das Malen zu unterbrechen: »Die tanzende Prinzessin.« Außerdem verlangte sie jeden Abend, dass Andie ihr die Geschichte mit der Prinzessin erzählte, und kritisierte sie erbarmungslos, sodass sie sich zu einer Geschichte über eine tapfere Prinzessin in einem schwarzen Rock mit Rüschen und mit gestreiften Strümpfen entwickelte, in der die böse Hexe, die mit ihr zusammenlebte, sie zu zwingen versuchte, Suppe zu essen.
Aber es gab nicht nur die böse Hexe. Alice begann bald, nach der Unterrichtszeit hinter Andie herzulaufen und immer wieder zu fragen: »Was machst du jetzt?«, und dann alles mit großem Interesse und großer Begeisterung zu kritisieren. Der Höhepunkt war das Nachmittags-Backen, wenn Andie das Radio einschaltete und sie den einzigen Musikkanal hörten, den sie empfangen konnten – »Hits, nichts als Hits« –, wobei Andie rhythmisch zur Musik die Zutaten abwog, die sie brauchte, und Alice ein wenig dabei half und meistens in der Küche herumtanzte und die Lieder mehr begeistert als richtig mitbrüllte.
Eines Nachmittags sang Alice: »I’m too sexy for my shirt«, während Andie sich daranmachte, Bananenbrot zu backen. Als sie ihre Rührschüssel hervorholte, sagte sie zu Alice: »Das ist meine Spezialität. Soll ich dir zeigen, wie man das macht?«
Alice erwiderte: »Meine Spezialität ist Tanzen«, und schwenkte weiter die Hüften zu Right Said Fred .
Meine Spezialität war auch mal Tanzen , dachte Andie und begann, die Bananen für das Bananenbrot zu schälen.
Alice unterbrach ihr Herumgehüpfe und spähte in die Rührschüssel. »Die Bananen sind eklig«, stellte sie fest. »Die sind ja fleckig und braun und tot.«
»Für Bananenbrot müssen sie fleckig und braun sein«, erklärte Andie, während sie sie in der Schüssel mit einer Gabel zerdrückte. »Dann weiß man, dass sie so weit sind, dass man Bananenbrot mit ihnen machen kann. Wenn sie noch ganz gelb sind, geben sie im Bananenbrot keinen guten Geschmack. Alles hat seine Zeit, Alice, und für diese Bananen ist jetzt die richtige Zeit für Bananenbrot. Und es schmeckt sehr gut.«
»Ich mag keine Nüsse«, stellte Alice fest und betrachtete mit finster gerunzelter Stirn die Tüte mit Walnüssen auf der Arbeitsplatte.
»Dann iss das Bananenbrot nicht«, empfahl Andie und begann, den Bananenteig im Rhythmus zur Musik zu schlagen, wobei sie, vor der Arbeitsplatte stehend, im Takt wippte, und Alice tanzte wieder herum und sang zu dem Lied Achy Breaky Heart ihren eigenen Text: »Ich mag keine Nüsse, ich mag wirklich keine Nüsse.« Dann schob Andie das Brot in den Backofen, und Alice sang wieder den Liedtext.
Als das Bananenbrot aus dem Ofen kam, aß auch Alice davon.
Am nächsten Tag tanzte Alice singend zu Everything Changes , während Andie Schokoraspelplätzchen mit Nüssen darin backte – »Ich mag keine Nüsse.« »Dann iss die Plätzchen nicht.« –, und aß von den Plätzchen, ohne Theater zu machen. Am Tag darauf brüllte sie aus voller Kehle: »I Will Always Love You«, und es kam Teegebäck aus dem Ofen – »Die esse ich, weil keine Nüsse drin sind.« –, und nach den ersten zwei Wochen und vielen Hits, nichts als
Weitere Kostenlose Bücher