Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
wütend aussehender Stefan.
»Tagchen«, sagte ich kleinlaut. Ich sagte sonst nie Tagchen, aber offenbar kannte er unser Geheimnis, und ich wollte freundlich wirken.
»Wo ist sie?«
»Wo ist … Wer?«
»Die dunkelhäutige Dame.«
»Hier bin ich«, hörte ich Louise hinter mir. »Was liegt an?«
Ich drehte mich langsam um und sah sie scharf an. Was liegt an? Ob das passend war?
»Sie haben den Brief geschrieben«, kam es wutschnaubend von Stefan. »Ich war zu Hause, weil unser Büro renoviert wird, und habe durchs Fenster gesehen, wie Sie den Brief eingeworfen haben.«
Ich dachte, der Moment sei gekommen, in dem ich Louise zum ersten Mal peinlich berührt sehen würde, vor Scham und Reue Entschuldigungen murmelnd. Bestimmt würde sie jeden Moment einknicken und vielleicht sogar zu weinen anfangen.
Weit gefehlt. Sie stand kerzengerade neben mir und meinte locker: »Ja, das war ich. Hab den Brief geschrieben und eingeworfen. Na und? Wollen Sie jetzt die Bullen rufen?«
Stefan sah fassungslos von Louise zu mir. Ich blickte verschämt in die andere Richtung.
»Und warum haben …«
»Warum?«, wiederholte Louise gefasst. »Sie sind so ein feiner Kerl, gut aussehend, intelligent und seriös. Jede Frau würde sich die Finger ablecken, um so einen Mann wie Sie zu finden …«
Ich traute meinen Ohren nicht.
Aber spätestens jetzt glaubte ich Antje, die behauptete, dass man Männern nur ein bisschen Honig ums Maul schmieren musste, um sie für sich zu gewinnen. Allerdings war da auch etwas in Louises Gesicht und Stimme, das mich daran zweifeln ließ, dass sie das nur sagte, um sich aus der Affäre zu ziehen. Ich glaubte zu erkennen, dass sie es ernst meinte. Stefan sah sie einfach nur an und wusste nicht, was er sagen sollte.
»Kommen Sie, wir machen einen kleinen Spaziergang.« Louise nahm ihre Jacke vom Haken, ging hinaus und warf hinter sich die Tür ins Schloss. Ich stand noch eine ganze Weile so da und konnte es nicht fassen.
Als ich später meine Jacke vom Haken nahm, kam eine SMS von Annett:
Wartet nicht auf mich, bin verliebt.
21
I ch öffnete die Tür, und vor mir stand Sascha. Er lehnte lässig an der Wand. Er sah mich an und meinte: »Hast du überhaupt Lust auf einen Cocktail? Wir können auch woanders hingehen.«
»Cocktail?«, wiederholte ich, weil ich immer noch Bedenken hatte, ich würde die Älteste in diesem Laden sein.
»Ja, das sind diese bunten Getränke mit den Obststückchen obendrauf. Haben schon mal so etwas getrunken. Du weißt schon, Sex on the beach und so.«
Ich lächelte. »Gehen wir Cocktails trinken.«
Fünf Minuten später fuhren wir mit dem Pizzaauto zu Popeye’s Cocktail Lounge . »Darf ich ehrlich sein?«, fragte ich.
»Natürlich.«
»Versprich mir, dass du es nicht persönlich nimmst.«
Er runzelte die Stirn. »Das kann ich unmöglich im Voraus versprechen, aber ich werde mich bemühen.«
»Kannst du vielleicht in einer Seitenstraße parken?«, bat ich. »Du kannst nichts dafür, dass dein Chef sich solche Gefährte zulegt. Ich habe ein gutes Gefühl bei dir , aber ich fühle mich nicht wohl in dem Auto. Findest du das verletzend?«
Er sah mich grinsend an. »Anfangs war mir das mit dem Auto auch peinlich, aber man gewöhnt sich daran.«
Sich daran gewöhnen? Ich war mir nicht sicher, ob ich das überhaupt wollte. Aber er tat mir den Gefallen und parkte in einer kleinen Seitenstraße.
Die Kneipe war gemütlich, mit Fischernetzen an der Decke und dicken Kerzen auf den Tischen. Und ich war nicht die Älteste. Das Publikum war gemischt, Studenten und reifere Semester, manche auch älter als ich. Wir bestellten zwei Zombies. Ich hatte gehört, dass dieses Zeug einem tierisch zu Kopf steigen konnte, aber ich wollte kein Spießer sein.
Später fragte ich Sascha, wie er den Fernlehrgang gemeistert hatte, um sein Abitur nachzuholen.
»Na ja, lief ganz gut«, meinte er lässig.
»Was hattest du für Noten?«
»Meistens Einsen, auch ein paar Zweien.
Mich beeindruckte, wie neutral er über seine Noten sprach. Alles Einsen, ohne ein Fünkchen anzugeben. »Muss test du viel lernen?«
Er zuckte die Schultern. »Nicht unbedingt viel, aber ich musste schon etwas dafür tun, ja. Besonders in Latein.
Ich dachte eine Weile darüber nach. »Das ist bewundernswert, dieser Ehrgeiz und dieser Fleiß, den du hast. Wirklich. Es gehört eine Menge Stärke dazu, sich selbst so am Schopf zu packen und aus dem Sumpf zu ziehen.«
Sascha sah mich an, dann streichelte er ganz
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