Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam
frage mich, für wie beschränkt du mich eigent lich hältst. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich einfach so zu dir zurückkomme, nachdem du mit dem Finger geschnippt hast.«
»Lyn, hör doch mal …«
»Leider habe ich es etwas eilig. Ich habe eine Verabredung.«
»Eine Verabredung?«
»Ganz recht.«
»Mit wem denn?«
»Das geht dich nichts an. Ich muss Schluss machen.« Ich legte einfach auf. Was war da gerade geschehen? Christoph hatte mich gebeten zurückzukommen, und ich hatte ihm den Laufpass gegeben. Es waren Gefühle zwischen Himmel und Hölle. Ich war total durcheinander.
Ich hörte Olivia von unten rufen: »Kommt schnell! Seht euch das an!«
Bestimmt war es wieder etwas Olivia-Typisches. Man dachte, es sei etwas passiert, stürmte noch völlig verschlafen im Schlafanzug nach unten, und da stand sie mit einer tiefgefrorenen Sahnetorte und rief freudig: »Die hatte ich ganz vergessen«, oder sie hatte gerade schicke Stiefel im Katalog entdeckt.
Ich erhob mich widerwillig und schleppte mich die Treppe hinab. Olivia und Louise standen am Küchenfenster und glotzten nach draußen. »Wisst ihr, dass es nicht mehr lang dauern wird und sie uns nur noch die Fenster-Freaks nennen werden?«
Olivia drehte sich um und winkte mich näher heran. »Komm her. Sieh dir das an!«
Ich trat näher und sah zum Haus gegenüber, wo Stefan auf dem Balkon stand und Klamotten nach unten warf. Susi stand unter dem Balkon und rief etwas nach oben. Durch die Straßenbeleuchtung und den Bewegungsmelder vor ihrem Haus konnte man alles klar und deutlich sehen.
»Mach mal das verdammte Fenster auf, Olivia«, schimpfte Louise, »man versteht ja gar nicht, was die schreien.«
Olivia kippte das Fenster, und wir reckten unsere Köpfe ein Stück näher zur Öffnung. »… ein böser Streich, wenn ich es dir sage. Da hat ein Psychopath etwas geschrieben, und du glaubst das?«
»Ich hatte schon lange den Verdacht«, schrie Stefan von oben, »ich habe mir nur etwas vorgemacht und deine Ausre den als bare Münze genommen. Zufällig eine Rolex im Bad, von wegen: Wer hat die denn verloren? Ich war so ein Idiot.«
»Aber es ist wirklich …«, schrie Susi von unten.
Stefan umklammerte das Geländer und brüllte aus Leibeskräften: »Und jetzt weiß ich auch, dass es nicht dein Cousin dritten Grades war, mit dem meine Schwester dich gesehen hat. Ich habe dich geliebt, aber jetzt empfinde ich nur noch Abscheu für dich. Hau ab.« Stefan ging ins Haus und schlug mit voller Wucht die Balkontür zu
Susi sprang auf der Stelle und rang verzweifelt die Hände Richtung Balkontür. »Du bist ein spießiger, einfältiger und dummer Dauergrinser, der es allen nur recht machen will. Du kotzt mich an, du blödes …«
Stefan kam auf den Balkon zurück und rief wutschnaubend: »Verschwinde von meinem Grundstück, sonst rufe ich die Polizei.«
»Dann ruf doch die Polizei, wenn du kein Rückgrat hast, das selbst …«
Stefan ging wieder ins Haus und kam diesmal nicht mehr zurück. Das war eine gute Strategie, denn irgendwann stand die gesamte Nachbarschaft auf Balkonen und an Fenstern und beobachtete Susi, wie sie auf und ab hüpfend Beschimpfungen von sich gab. Irgendwann schien sie sich zu besinnen, denn plötzlich ließ sie sich fallen und heulte in ihre Klamotten. Nach einer kurzen Weile rannte sie wie der Teufel. Sie lief mit dem Bündel zum Auto, setzte sich hinein und brauste davon.
»Jetzt tut sie mir fast ein bisschen leid«, flüsterte Olivia.
»Was?«, rief Louise aufgebracht, »Das geschieht ihr ganz recht, und ich stehe zu unserem Brief.«
»Ich glaube, wir hätten uns da nicht einmischen dürfen«, sagte ich, mehr zu mir selbst.
Louise schüttelte den Kopf. »Der Kerl hat ein Recht auf die Wahrheit.«
»Warum?«
»Weil sie ihn betrügt und ausnutzt. Weil ein Mensch so etwas nicht verdient hat. Weil er hart arbeitet und sie sein Geld aus dem Fenster wirft, und zwar für andere Männer. Brauchst du noch mehr Gründe?«
Ich winkte ab. »Wir haben echt ’nen Knall, Leute. Vielleicht war das eine Nummer zu hoch. Was, wenn sie schwanger ist und jetzt das Kind keinen Vater hat?«
Olivia schüttelte den Kopf. »Dann ist Stefan bestimmt nicht der Vater.«
»Ich geb’s auf«, murmelte ich und holte mir eine Cola aus dem Kühlschrank. Wie konnte ich nur mit ihnen diesen Brief schreiben. Hätte ich nur meinen Mund gehalten!
Zehn Minuten später klingelte es bei uns. Als ich die Tür öffnete, stand vor mir ein gebeutelter und
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