Ohne Schmerz - Kein Halleluja
Etappe zu Etappe dazu. Ab jetzt macht es Sinn auch die Orte zwischen und nach den eigentlichen Etappenzielen als Übernachtungsorte in Betracht zu ziehen.
Die Weine des Bierzo sind kräftig, gut und schwer. Und auch Flaschenweise recht günstig zu erwerben.
Thomas macht eine Denkpause
Reisetagebuch, 16. Mai 2012
Von Ponferrada nach Villafranca del Bierzo
Meine Mitbewohner in Ponferrada sind offenbar Frühaufsteher. Durch den Stress der letzten Nacht war ich offenbar so müde, dass ich den Aufbruch der anderen gar nicht mitbekommen habe. Um 08.00h stehe ich vor Thomas Hotel, auch ihm geht’s mittlerweile wieder gut, er musste wohl nur mal richtig ausschlafen. Nach einem kleinen Pilger-Frühstück (Kaffee, Croissant, Powerdrink und Zigarette) folgen wir den Pfeilen entlang der Templerburg und Teilen der Altstadt. Danach wird’s erst einmal langweilig. Die Avenida, die wir entlanglaufen, ist so aufregend wie die Innenstadt von Bielefeld und so charmant wie der Alexanderplatz anno 1989. Am Blutspende-Denkmal biegen wir rechts ab, passieren ein paar größere Straßenbauarbeiten, die uns daran erinnern, dass das Leben weitergeht, auch wenn wir pilgern und sind dann endlich wieder auf ländlichen Strassen. Seit einer Viertelstunde laufen Finn aus England und Adriana aus Münster mit uns mit. Finn ist eigentlich kein Pilger, sondern ein Traveller, der beschlossen hat mal so 2 – 3 Tage auf dem Camino mitzulaufen und Adriana nennt sich selbst Lightpilgerin und läuft heute ihren ersten Tag. Da unsere heutige Etappe nicht sehr anstrengend ist und wir uns einfach auch mal ein bisschen mehr Zeit gönnen, haben wir heute einen gemütlichen Schrittdrauf. Bereits in Fuentes Nuevas gönnen wir uns eine ausgedehnte Pause. Thomas beschließt heute albern zu sein und betreibt intensives Bierpilgern. Nach fast 600km ist ihm die Motivation wohl etwas eingeschlafen. Ich halte mich lieber ans bewährte Alkoholfreie, denn Bier sackt in die Beine. Kurz vor Camponaraya machen Finn und Adriana dann an einem netten, kleinen, munter plätschernden Bach wieder Rast und wir laufen weiter.
In fast jedem Dorf gibt es Storchennester, wir laufen an Weinbergen entlang, das Wetter ist schön und wir genießen einfach den Tag. In Cacabelos haben wir mehr als die Hälfte der Tagesetappe hinter uns und auf einer kleinen Plaza lassen wir uns nieder, bestellen eine Kleinigkeit zu essen und Thomas setzt sein Bierpilgern fort. Gesellschaft bekommen wir erst vom Franken-Helmut, der eine halbe Stunde nach uns auftaucht und dann von einem netten, älteren Paar aus Sachsen, die Thomas in Ponferrada kennengelernt hat. Aus Gründen, die ich nicht nachvollziehen kann, hat es sich die sächsische Mutti in den Kopf gesetzt, dass Thomas ein idealer Schwiegersohn für sie wäre. Helmut und ich scharren bereits mit den Hufen, aber Thomas hat noch Bierdurst. Schlimmer noch als ein Mönch zur Fastenzeit! Er bleibt also noch auf ein bis zwei Bier sitzen. Der Franken-Helmut und ich pilgern los gen Villafranca. Thomas kommt halt später nach. Zum Ortsende hin zieht sich Cacabelos ganz schön. Aber die Herberge, die sie hier haben, ist ziemlich abgefahren. Um eine Kirche herum gruppieren sich lauter kleine 2 Bett Kabinen. Es sieht aus wie in einem italienischen Seebad in den 60er Jahren. Das hat was. Es ist heiß heute und auf dem Weg fast kein Schatten, als die Strasse endlich einem Feldweg und einer schmalen Nebenstraße weicht, sind wir ziemlich erleichtert. Endlich Schatten. Bei einem Bauernhaus entdecken wir hinter dem Gitter einen müden, alten, hinkenden Hund. Es sind nur noch zwei Kilometer, also teile ich mein bisschen Wasser mit ihm. Aber er scheint sogar zu müde zum trinken zu sein. Die Art und Weise wie in Spanien, besonders auf dem Land, mit Tieren umgegangen wird, regt mich immer wieder auf. Die einzigen, die ihre Hunde vernünftig und gut behandeln, scheinen hier die Schäfer zu sein.
Ein Storchennest irgendwo hinter Ponferrada
Der Franken - Helmut macht Pause in Cacabelos
Kurz vor Villafranca bimmelt mein Handy. Thomas.
Aus dem Hörer dringt die Stimme einer verzweifelten, gequälten Seele: „Knud, bitte hilf mir… ich weiß nicht wo ich bin…ich liege hier in einer Wiese am Straßenrand, völlig entkräftet, ich kann nicht mehr, über mir kreisen die Geier, ich bin völlig dehydriert…“ Ich muss grinsen. „Lieber Thomas, solange Du noch Worte wie dehydriert sagen kannst, ist alles bestens und die Geier sind Störche. Also hopp, mach Dich auf
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