Ohne Schmerz - Kein Halleluja
für Jahr rettet er verirrte Pilger in den Bergen, die bei schlechtem Wetter vom Weg abgekommen sind. Ein Aussteiger, der auf dem Camino hängenblieb und hier seine Berufung fand. Vielleicht auch ein Spinner, aber einer von der Sorte, die das Salz der Erde sind. Jetzt geht es wirklich bergab, das Gefälle ist steil und ich bin froh meinen Wanderstab zu haben, der mich austariert, besonders wenn es über unebenes Gelände und Geröll geht. In El Acebo machen wir Rast, ein hübsches Örtchen, die Tienda hat alles was man so braucht und ich brauche jetzt mal was Isotonisches. Ein alkoholfreies Bier kommt mir da gerade recht. Thomas hat seine Tortilla und ist glücklich. Der Holländer und die flippige Italienerin, die uns in den letzten Tagen schon ein paar mal begegnet sind, winken fröhlich zu uns rüber und ganz allgemein ist die Stimmung zwischen den Pilgern großartig. Alle kennen sich irgendwie vom Sehen, alle grüßen sich und wünschen sich einen guten Weg. Sehr angenehm!
Mein Stein am Cruz de Ferro
Unter uns die Wolken
Der Weg wird danach unwegsamer, über Geröll und kleine Bachläufe hinweg, durch wunderschöne Eichenwälder, vorbei an Ginster, Blumen aller Art und an wildem Weihrauch geht es weiter bergab. Nach einigen Stunden haben wir Molinaseca erreicht, über eine uralte Brücke kommen wir zu einer Bar direktam Fluss. Wir ziehen die Schuhe aus, lassen etwas Luft an die Socken und wundern uns, dass die Fliegen, um uns herum, nicht tot vom Himmel fallen. Wir bestellen uns zwei Bier und zwei Portionen Croquettas, die Thomas noch nicht kennt. Bei uns praktisch nicht erhältlich, sind Croquettas in Spanien ein beliebter Snack. Im Gegensatz zu Kartoffelkroketten sind diese hier mit einer Fleisch- oder Schinkenfarce gemacht. Sehr lecker und sättigend. Thomas überlegt hier zu bleiben, die Nacht draußen war wohl doch nicht so erholsam. Der Franken-Helmut trudelt auch ein. Er will auf jeden Fall heute nach Ponferrada, so wie ich, immerhin steht mein Rucksack dort. Thomas und Helmut bleiben noch in der Bar am Fluss sitzen und ich nehme die letzten 8km in Angriff. Die Etappe nach Ponferrada ist öde und es ist brutal heiß am Nachmittag. Nur Landstrasse, kaum Schatten, in dem putzigen Dorf Campos verschnaufe ich ein wenig im Schatten eines alten Hauses. Unterwegs bin ich wieder auf zwei Denkmäler für auf dem Weg verstorbene Pilger gestoßen. Es ist schön zu wissen, dass diejenigen, die auf dem Weg zurückblieben, nicht vergessen werden. Kurz vor Ponferrada bietet mir ein alter Mann etwas zu trinken an, ich habe zwar noch genug in meiner Hüftflasche, nehme aber gerne dankend an. In der Herberge San Nicolas de Flüe erfahre ich, dass mein Rucksack vermutlich im Hostal San Miguel steht. Die sind ja ganz nett hier in der katholischen Herberge, aber ein wenig neben der Spur sind sie schon. Völlig planlos. Immerhin ist die Herberge ordentlich und sauber und es gibt sogar Internet. Nun dann, ich fluche ein wenig und mache mich auf den 1km langen Weg zu dem ominösen Hostal. Und da steht er. Ich verstehe das Prinzip zwar nicht, aber was soll´s. Zurück in der Albergue klingelt mein Telefon. Thomas ist doch in Ponferrada und hat sich in einem Hotel eingebucht. Nach der Nacht im Freien ist das wohl auch nötig. Helmut ist auch in der Albergue. Während er da in der Küche steht und sich einen Sud aus Spitzwegerich für seine Füße braut, klappt sein Kreislauf zusammen. Fünf Minuten später ist er wieder wach und fragt sich, was die ganzen besorgten Gesichter um ihn herum wohl zu bedeuten haben und warum ihm jemand Luft zufächelt. Die Ambulancia kommt mit Tatütata und checkt den Franken–Helmut erst einmal durch.
Auf Herz und Nieren geprüft und für gut befunden, ruht er sich erstmal etwas aus. Ich treffe mich mit Thomas unterhalb der beeindruckenden Templerburg und wir suchen uns eine nette Bar auf der Plaza Mayor. Beim anschließenden Essen ist Thomas etwas neben der Spur, vermutlich einfach ausgepowert. Er ist einfach müde und kaputt und macht sich früh auf ins Bett. Als ich meine Vierbettkammer betrete und mich auf die obere Etage meines Stockbetts lege, schlafe ich auch ziemlich schnell ein. Mitten in der Nacht lerne ich drei weitere Pilgerspezies kennen. Die schwache Blase, den Bettenrüttler und die Frau die mich mit ihrem Mann verwechselt. Zuerst weckt mich die schwache Blase, in Gestalt der Frau aus der unteren Etage des Stockbetts von gegenüber. Unfähig, sich leise zu erheben, tappert sie
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