Ohne Schmerz - Kein Halleluja
wir uns für den etwas längeren, aber schöneren. Stellenweise geht’s schon ganz flott bergauf, ein Vorgeschmack auf morgen, ich bin nicht so fit wie ich dachte, zumindest bergauf. Aber die Landschaft ist wunderschön und so ignoriere ich alles was mir gerade wehtut und trabe Thomas hinterher, der alle paar Sekunden einen neuen Klassiker der neuen deutschen Welle anstimmt. Immer wenn uns Fahrradpilger begegnen, singen wir einstimmig: „Gloria! In Excelsis Deeeeooo!“ Auf der Spitze eines Hügels im Schatten eines Olivenbaumes, vor einem Steinkreuz, rasten wir für eine Viertelstunde. Es ist heiß heute, keine Wolke am Himmel, Traumwetter. In einem kleinen Dorf, dessen Namen mir entfallen ist, stoßen wir zum ersten Mal auf den Franken-Helmut, der vor der Dorfkneipe bei einem Glas Roten sitzt und die These vertritt, dass Rotwein gut für die Füße sei. Er kommt aus Unterfranken, nahe Würzburg, da sind solche Philosophien an der Tagesordnung. Ich habe ihn im Verdacht in Wirklichkeit Harald Schmidt zu sein, inkognito, mit Bart, aber er beharrt auf seiner Identität. Auf der Hochebene begegnen uns an einer Bachfurt zwei riesige Molosserhunde, die sich als sehrverschmuste Viecher herausstellen. Hundert Meter weiter stoßen wir auf die dazugehörige Schafherde und ihren Schäfer, der ein netter, freundlicher, alter Herr ist und noch zwei weitere dieser Riesenhunde. 70 Kilo Hund blicken uns treuherzig an und erwarten gestreichelt zu werden. Na, wenn´s weiter nichts ist! Noch rund 8 – 9 Kilometer, höchstens! Wir laufen weiter und, wie eine Fata Morgana, taucht hinter der Hügelkuppe eine Scheune auf, davor steht eine Art indonesischer Imbisswagen, beladen mit Getränken. Zu dem Imbisswagen und der Scheune gehören noch eine Hängematte und ein kleines Beduinenzelt. Betrieben wird diese exzentrische Oase von zwei drahtigen, braungebrannten Ayurveda - Jüngern aus Barcelona. Hier bin Mensch – hier darf ich sein, nur mit den Ayurveda Säften bin ich vorsichtig, meine Erfahrungen mit „gesundem Essen“ und veganer Ernährung endeten bislang immer in der verzweifelten Suche nach einer gewissen Örtlichkeit. Wir bleiben also bei Wasser, spenden aber dennoch ein paar Euro, allein schon für den Enthusiasmus der Beiden. Kurz vor Astorga mobilisieren wir nochmal unsere Kräfte und werden, knapp 400 Meter vor dem Ortseingang von einer eigenartigen Brückenkonstruktion in Schleifenbewegung über die Bahngleise geleitet. Der Anstieg die Strasse hinauf fordert mich ein letztes Mal für heute und dann stehe ich vor der Herberge Albergue Siervas de Maria. Ein röhrendes „Hellooo Darlings!“ reißt uns aus der Kontemplation. Donna aus Kanada, der wir unterwegs schon zweimal begegnet sind, strahlt uns breit grinsend über ihre Nasenpiercings hinweg an. Donna ist um die 60, kurze, graue Haare, so breit wie hoch und macht den Eindruck aus dem Herrn der Ringe entflohen zu sein. Immer ein Strahlen im Gesicht und oft ein Bier in der Hand, verkörpert sie die pure Lust am Leben. Sie knuddelt uns im Vorbeigehen und schlappt dann in ihren FlipFlops weiter. Thomas hat ein dringendes Bedürfnis nach einer Badewanne und verzichtet auf die Pilgerromantik, zugunsten eines „akzeptablen Mittelklassehotels“, wie er sich ausdrückt. Ich checke in der Herberge ein und freue mich, zur Abwechslung mal, von einem rauschebärtigen Herbergsvater auf Deutsch angesprochen zu werden. Na klar, ist ja auch ein Haus des Jakobsweg-Vereins. Und den Franken-Helmut treffe ich auch gleich wieder, denn er ist ein Mitbewohner meiner 6 Bett Habitacion. Ich betrachte die Tatsache, dass mein Zimmer im 2.
Stock liegt, nicht als Affront, sondern als Herausforderung und stelle mich erstmal unter die Dusche. Die zweite Herausforderung der Albergue, nach dem Aufstieg in den zweiten Stock, stellen die Toilettenkabinen dar. Die Eingangstür befindet sich so nah an der Schüssel, dass ein normales Hinsetzen, besonders mit Muskelkater, kaum möglich ist. Ein mehr oder minder elegantes Hinplumpsen lassen löst das Problem. Diese Lösung ist allerdings nicht für enorm Übergewichtige geeignet!
Eine knappe Stunde später sitzen wir vor einer Pizzeria an der Plaza Mayor, zusammen mit Gabi aus Wisconsin, geboren in München, die so freundlich war, uns einen Platz an ihrem Tisch anzubieten. Bei einem ordentlichen Rioja für Thomas und einem leichten weißen Rueda für mich, beobachten wir das Treiben auf der Plaza. Vor dem Hotel nebenan findet eine Flamencovorführung
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