Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
kreisrunden Brunnenanlage blieben seine Augen haften.
Plötzlich brandete aus Richtung des Gebäudedachs ein schockartiger, ohrenbetäubender Lärm auf. Reflexartig zog Tannenberg den Kopf ein, duckte sich, sondierte mit weit aufgerissenen Augen blitzschnell die nähere Umgebung nach einer Fluchtmöglichkeit.
Als er den rotweißen Helikopter sah, der gerade auf den direkt vor ihm gelegenen, aber bisher nicht von ihm bemerkten Landeplatz zuschwebte, reduzierte sich schlagartig sein emporgeschnellter Herzschlag. Verärgert über seine hysterische Reaktion schüttelte er den Kopf.
Altes Weichei!, legte auch schon sein undisziplinierbarer innerer Quälgeist los. Und so einer ist bei der Polizei! Macht sich aus lauter Angst fast in die Hosen – vor einem Hubschrauber!
Er hatte dieses eindeutig erkennbare Geräusch im Hintergrund zwar gehört, aber einfach nicht damit gerechnet, dass der Helikopter hier im Schlossgarten direkt vor seinen Augen landen würde.
›Eurotransplant‹ stand in greller Leuchtfarbe auf der ihm zugewandten Seite.
Tannenberg wunderte sich darüber, dass der Pilot den Hubschrauber nicht verließ. Nur der neben ihm sitzende Mann sprang flugs aus der Kabine, zog eine Schiebetür hinter dem Pilotensitz auf, entnahm einen silbernen Koffer und rannte damit, obwohl die dumpf ihre Geschwindigkeit verringernden Rotorblätter noch nicht zum Stillstand gekommen waren, gebeugt unter ihnen hindurch zum Untergeschoss des Schlossgebäudes.
Schon kurze Zeit später war der im Keller verschwundene Mann zurückgekehrt, führte nun allerdings zwei Koffer mit sich, die er eilig im hinteren Teil des Helikopters verstaute und sich schleunigst wieder auf den Co-Pilotensitz begab.
Der ganze Spuk hatte nach Tannenbergs Schätzung nicht mehr als fünf Minuten gedauert. Während seine Augen interessiert den Start des Hubschraubers verfolgten, marterte er sein Gehirn mit der Frage, woran ihn dieses markante Geräusch, das so einzigartig war, dass jeder, der es einmal gehört und seinem Verursacher zugeordnet hatte, nie mehr vergessen sollte, erinnerte. – Jetzt wusste er es: Es war der Hubschrauber von Pink Floyd, der bei der Rockoper ›The Wall‹ einen spektakulären musikalischen Auftritt hatte.
„Onkel Wolf, da bist du ja! Ich hab dich überall gesucht!“, rief plötzlich Marieke vom Innern des Schlosses her.
Mit flinken Schritten kam sie auf ihn zugestürmt und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange.
„Du, wahrscheinlich ist es gar nicht so schlimm, wie’s zuerst ausgesehen hat! Max hatte zwar wegen einem allergischen Schock auf irgendein Medikament einen Herzstillstand. Aber sie haben ihn wiederbeleben können“, plapperte sie, emotional wie ausgewechselt, auf ihren staunenden Onkel ein. „Und der Arzt hat gesagt, dass Max gute Chancen hat, dass dieses blöde Ding in seinem Kopf wieder abschwillt und alles ohne bleibende Schäden ausheilt. – Ja, das hat er echt so gesagt!“
„Das ist aber wirklich eine tolle Nachricht!“, entgegnete Tannenberg erleichtert und erfreute sich an Mariekes strahlendem Lächeln.
„Dann wird er bestimmt wieder ganz gesund.“
„Bestimmt!“
„Max sieht sowieso aus, als ob er nur schlafen würde. Jedenfalls von der Glaswand aus, von der ich ihn gesehen habe.“
„Ach, du durftest gar nicht zu ihm rein?“
„Nein, nur seine Mutter darf rein. Die ist auch ganz happy!“
„Das glaub ich! Die Frau vorhin war also seine Mutter. Irgendwo …“ Tannenberg brach ab, sein Blick schwenkte über die Parkanlage, verharrte an einer riesigen Douglasie. „Irgendwoher kenne ich die Frau. Ich weiß nur nicht, woher.“
7
Montag, 28. April
„Guten Morgen, mein einsamer Wolf“, begrüßte Sabrina Schauß ihren Chef in dessen Arbeitszimmer. „Na, wie geht’s dir denn so heute früh?“
„Wie soll’s wohl einem notorischen Morgenmuffel am Montagmorgen gehen?“, brummte Tannenberg mürrisch hinter seinem mit Aktenbergen übersäten Schreibtisch hervor.
„Vielleicht hab ich ja etwas für dich, das deine Stimmung schlagartig verbessern könnte.“
„Und was?“, gab er gähnend zurück, ohne dabei die stützende Hand unter seinem Kinn zu entfernen. „Hast du etwa am Wochenende die Mordfälle gelöst?“
„Nein, nichts Dienstliches.“
Der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission warf die Stirn in Falten. „Nichts Dienstliches?“
„Nein, etwas Privates.“
Tannenberg gähnte erneut, sagte aber weiter nichts, sondern betrachtete seine attraktive,
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