Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
absichtlich die ihm unmöglich erscheinende Wiederholung des Namens. „Kommen Sie doch bitte mit in mein Büro. Darf ich Ihnen einen Espresso anbieten?“
Der Mann antwortete mit einem stummen Kopfnicken und folgte Kommissar Fouquet in Tannenbergs Dienstzimmer.
„Flocke mach mal ein paar Espresso! Sabrina, kommst du auch mit rein?“
„Nein, ich möchte lieber noch was anderes abchecken.“
„Okay.“
„Außerdem teile ich jetzt die Rosen mit der Flocke.“
Ohne auf die Spitze zu antworten, nur ›Weiber‹ vor sich hinnuschelnd, schloss Tannenberg von innen die Tür und begrüßte mit einem kräftigen Handschlag den Holländer, der sich nun auch persönlich vorstellte.
„Ruud van der Hougenband“, sagte der etwa fünfzig Jahre alte, groß gewachsene Mann, der verwaschene Jeans und einen weinroten Sweater trug.
Sein recht bleiches Gesicht wurde von einer von der Natur etwas überdimensionierten, leicht gebogenen Nase dominiert, die zudem einen markanten Höcker auf dem Nasenrücken aufwies und von kleinen Sommersprossen übersät war. Die leicht rötlichen, kurz geschorenen Haare sprießten erst mit gebührendem Abstand von der Stirn und waren an den Schläfen schon recht stark angegraut.
Was an dieser Stelle seines Kopfes fehlte, war an anderer Stelle dagegen umso reichlicher vorhanden, und zwar in Form eines großflächigen Drei-Tage-Bartes, dessen Stoppeln bis hinunter zu dem blauen T-Shirt reichten, das unter dem geöffneten Reißverschluss des Sweaters selbstbewusst hervorlugte.
Eigentlich sah dieser Holländer ziemlich genauso aus, wie Tannenberg sich die Insassen dieser meist untermotorisierten Zugfahrzeuge mit leuchtend gelbem Nummernschild, die ihre Wohnwagenlast nur mühevoll über die pfälzischen Landstraßen schleppten, immer vorgestellt hatte.
Bislang hatte aber noch nie ein Exemplar dieser Spezies leibhaftig vor ihm gestanden. Er hatte sich ihnen in der Vergangenheit höchstens auf ein paar Meter genähert, zum Beispiel dann, wenn er irgendwo im Pfälzer Wald mit einer Vollbremsung einen Unfall mit diesen breit dahinkriechenden und chronisch kurvenschneidenden, rollenden Straßenblockaden vermieden hatte.
„Sie meinen also, diese Tätowierung zu erkennen?“, eröffnete er die Befragung, korrigierte sich aber sogleich. „Ich meine natürlich: Das Motiv. Kennen Sie das Motiv?“
„Motiv?“, fragte der Mann verständnislos.
„Der Herr Hauptkommissar möchte wissen, ob Sie das, was ich Ihnen jetzt gleich auf einem Foto zeigen werde, schon einmal irgendwo gesehen haben“, übersetzte Fouquet, zog die Akte von Tannenbergs Schreibtisch, schlug sie auf, entnahm ihr das Blatt mit den abgebildeten Tätowierungen und legte sie direkt vor Herrn van der Hougenband.
Dann sagte er an seinen Chef gerichtet: „Der Herr spricht zwar ganz gut Deutsch, aber eben nicht perfekt.“
„Natürlich! Entschuldigen Sie. Sollen wir einen Dolmetscher kommen lassen?“
„Brauchen wir glaub ich nicht. Ich hab ein paar Jahre im Ruhrgebiet gejobbt.“
„Gut. Dann sagen Sie uns doch jetzt bitte, ob Sie wissen, was das auf dem Foto sein könnte.“
„Das ist Venlo, Herr Kommissar. Das … Wie sagt man auf Deutsch?“ Hilfe suchend blickte er zu Kommissar Fouquet.
„Stadtwappen?“
„Ja: Stadtwappen. Das ist das Stadtwappen von Venlo.“
„Dann liegt Venlo also am Meer?“, rutschte es dem Leiter des K1 etwas vorschnell heraus.
„Warum, Herr Kommissar?“
„Na, wegen dem Anker.“
„Nee.“ Der Mann lachte auf. „Venlo liegt nicht am Meer, sondern an der Maas, genau gegenüber von Krefeld. Direkt an der deutschen Grenze. Der Herr Kommissar war nicht so gut in der Schule in – wie heißt das auf Deutsch?“
„Geographie“, antwortete Fouquet schadenfroh grinsend.
„Ja, danke, Geographie.“
Tannenberg ließ diese provokative Bemerkung kommentarlos über sich ergehen, schließlich wollte er es sich mit diesem äußerst wichtigen Informanten nicht verscherzen.
„Das ist also das Stadtwappen von Venlo“, bilanzierte er mehr für sich selbst. Dann wandte er sich der erhofften Klärung einer ihn noch brennender interessierenden Frage zu: „Was bedeuten diese Initialen?“
„Initialen?“
Diesmal übersetzte Wolfram Tannenberg selbst: „Diese Buchstaben hier mit den Punkten dahinter: n.s.s.v.d.“ Er deutete zur Erläuterung mit einem Zeigefinger auf die Tätowierung.
„Weiß ich nicht. Hab ich noch nie vorher gesehen“, antwortete der Mann mit dem unaussprechbaren
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