Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
gekrönten Bruchsandsteinpfosten verankert war.
Aber weder Marieke noch ihr väterlicher Begleiter vermochten sich an den stark duftenden Sträuchern zu erfreuen oder an der beeindruckenden Architektur des prachtvollen Barockschlosses zu ergötzen, zu sehr waren ihre Gedanken mit anderen Dingen beschäftigt. Lediglich als Tannenberg das über dem Eingangsportal thronende große bunte Wappen des Freiherrn von Hacke erblickte, das von bunten Federbüschen und zwei Schilden dominiert war, dachte er für einen Moment an das Foto mit den Tätowierungen der beiden Toten, die allerdings völlig anders gestaltet waren.
„Onkel Wolf, du gehst doch mit mir rein?“, fragte Marieke mit einem herzerweichenden Gesichtsausdruck, der Tannenberg nicht die geringste Chance ließ.
Ihre eiskalte Hand suchte zitternd nach seiner.
Er griff nach ihr, drückte sie fest. „Natürlich“
Der Kriminalbeamte war sehr verwundert darüber, dass es in der Eingangshalle so ganz und gar nicht nach einer modernen Spezialklinik aussah, sondern genauso, wie man sich eben ein altes Schloss gemeinhin vorstellte: glänzender Marmorboden; eine von zwei Seiten nach oben führende schwarze Granittreppe mit einem prächtigen schmiedeeisernen Geländer; mehrere, großformatige Ölgemälde.
Die ihnen mit einem freundlichen Lächeln entgegentretende, nobel gekleidete Empfangsdame schien seine Gedanken erraten zu haben.
„Einen schönen guten Abend, die Herrschaften! Sie sind sicherlich etwas irritiert über dieses mittelalterlich anmutende Ambiente. Und können nicht glauben, dass Sie sich hier in einer hochmodernen Privatklinik befinden. Aber ich kann Sie trösten: Der medizinische Bereich befindet sich in dem neuerbauten Flügel des Schlosses, den Sie direkt über diesen Flur dort vorne erreichen.“ Wie ein Verkehrspolizist wies sie mit einem ausgestreckten Arm den Weg. „In diesem Gebäudeteil hier befindet sich nur die Verwaltung, Tagungsräume etc.“
„Wo ist die Intensivstation?“, fragte Marieke ohne Umschweife.
„Ebenfalls im Neubau, junges Fräulein. Sie können die Intensivmedizinische Abteilung unseres Hauses gar nicht verfehlen. Sie ist ja schließlich das Filetstück unserer Klinik.“
Nachdem die beiden Besucher der Wegbeschreibung gefolgt waren, erreichten sie tatsächlich einen Neubaukomplex, den man so geschickt direkt hinter der zur Hauptstraße gelegenen Schlossfassade platziert hatte, dass er von der Straßenfront her nicht zu erkennen gewesen war.
Sie wurden bereits erwartet. Vor einer undurchsichtigen Glastür mit der in leuchtendem Rot gehaltenen Aufschrift ›Intensivstation – Zutritt strengstens verboten!‹ stand eine sehr angespannt wirkende Frau mittleren Alters, die sich einen lindgrünen Besucherkittel übergestreift hatte.
„Gut, dass du gleich gekommen bist“, sagte sie und umarmte Marieke mit einer schnell ausgeführten Begrüßungsgeste. „Wir gehen sofort zu Max.“ Sie läutete an der Tür. „Die Ärzte meinen, dass sie noch nicht wissen, ob Max durchkommt.“
„Aber was ist denn passiert? Was hat er denn?“, jammerte Marieke mit tränenerstickter Stimme.
„Ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Und vor allem eine starke Schwellung im Kopf, die auf sein Gehirn drückt. Oh Gott, ist das alles so furchtbar!“
Eine mit zartgrünem Mundschutz und Haube ausgestattete Krankenschwester öffnete die Glastür, wies Marieke mit ruhigen Worten an, einen von ihr bereitgehaltenen Besucherkittel überzuziehen und sich ebenfalls mit Kopf- und Mundschutz auszustatten. Dann schloss sie die Tür.
Tannenberg blieb alleine zurück. Er schaute sich nach allen Seiten um. Dann entdeckte er einen Zugang zur Terrasse.
Frische Luft! Das ist genau das, was ich jetzt dringend brauche!, stellte er erleichtert fest, denn das Innere von Krankenhäusern hatte auf ihn immer eine extrem beklemmende Wirkung.
Wie von einer zentnerschweren Last endlich befreit, atmete er auf dem mit mehreren Tischen und Stühlen bestückten Freisitz erst einmal kräftig durch. Sein Blick schweifte über den streng geometrisch im Versailler Stil angelegten Schlosspark, streifte ohne etwas Konkretes zu fixieren die großen, frisch gemähten Rasenflächen und den alten, efeuberankten Baumbestand.
Aber er vermochte sich an der beeindruckenden Ästhetik nicht sonderlich zu erfreuen, zu sehr bedrückten ihn die dramatischen Ereignisse, mit denen seine geliebte Nichte zu kämpfen hatte. Erst an der genau in der Mitte des Parks zentral platzierten,
Weitere Kostenlose Bücher