Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
hinaus auch noch der Verlust sämtlicher Pensionsansprüche.“
„Das ist wirklich ein dickes Ding“, wiederholte sich Tannenberg inhaltlich.
„Und ich kann nichts dagegen machen“, entgegnete der Präsident, wobei er die Schultern nach oben zog und die Hände entschuldigend nach außen drehte. „Tut mir wirklich Leid, Tannenberg. Aber ich habe keinerlei Einflussmöglichkeit. Das BKA hat mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass, falls Sie sich nicht in dem von ihnen gewünschten Maße kooperativ verhalten, ich die Leitung des K1 einer anderen Person übertragen muss. Die sitzen einfach am längeren Hebel.“
Diese Drohung verfehlte ihre Wirkung nicht. Ohne weiter darüber nachzudenken, unterzeichnete Wolfram Tannenberg die Verpflichtungserklärung, die ihn zwar zum kritiklosen Untergebenen des BKAs degradierte, ihm aber zumindest die Kommissariatsleitung sicherte, so er sich denn wohl verhielte.
Zufrieden nahm der Polizeipräsident, dessen Halsschlagadern inzwischen wieder normale Dimensionen erreicht hatten, das Schreiben entgegen und erhob sich von seinem komfortablen Ledersessel. „Jetzt sind Sie aber sicherlich extrem neugierig, um was es sich eigentlich handelt.“
„Das kann man wohl sagen“, stimmte Tannenberg kopfnickend zu und folgte daraufhin seinem Vorgesetzten in ein anderes Zimmer, in dem sie von Oberstaatsanwalt Dr. Hollerbach und einem ganz in Schwarz gekleideten, sehr eleganten Mann mittleren Alters anscheinend bereits sehnlichst erwartet wurden.
„Na endlich! Guten Morgen, Herr Hauptkommissar“, legte der Vertreter des Bundeskriminalamtes gleich los. „Mein Name ist Dr. Erwin Pfleger, ich bin Leitender Kriminaldirektor und Abteilungsleiter des Bereichs ›Organisierte Kriminalität‹ beim BKA in Wiesbaden.“
„Angenehm“, log Tannenberg, ohne dass sich dabei auch nur eine Spur von Gesichtsröte auf sein Antlitz verirrt hätte.
„Ihr Vorgesetzter hat Sie ja bereits ins Bild gesetzt“, Er warf einen kurzen, prüfenden Blick in Richtung des Polizeipräsidenten, „wenn ich sein Kopfnicken richtig zu deuten verstehe.“
„Ja, es ist alles geklärt, Dr. Pfleger. Der Herr Hauptkommissar hat sich sehr einsichtig und kooperativ gezeigt.“
Dr. Hollerbach konnte sich zwar ein kaum wahrnehmbar über sein Gesicht huschendes, spöttisches Grinsen nicht verkneifen, aber er hielt sich mit einer ketzerischen Bemerkung bewusst zurück – was ihm aufgrund der sehr angespannten Beziehung zu Tannenberg nicht gerade leicht fiel, ihm jedoch der außergewöhnlichen Situation als zwingend angemessen erschien.
Schließlich müssen wir jetzt alle mit vereinten Kräften an einem Strang ziehen. Da sollten auch persönliche Animositäten zurückgestellt werden! Nur der Dienst an der gemeinsamen Sache ist von Belang, versuchte sich der Oberstaatsanwalt selbst zu disziplinieren und sagte anschließend mit ruhiger Stimme: „Herr Kriminaldirektor, vielleicht sollten Sie nun den Kollegen Hauptkommissar etwas detaillierter über die Sachlage informieren.“
„Wollte gerade damit beginnen, werter Dr. Hollerbach“, erwiderte der BKA-Beamte leicht säuerlich und wandte sich an Tannenberg: „Herr Kollege, ich kann Ihnen erfreulicherweise mitteilen, dass Ihr aktueller Fall, also diese beiden Mordfälle mit den Toten an dem Eisenbahntunnel, gelöst ist.“
„Na fein, da kann ich ja jetzt nach Hause gehen und mir mein Fußballspiel zu Ende anschauen“, sprudelte es nur Sekundenbruchteile später aus dem Leiter des K1 ungeprüft heraus.
Natürlich fing er sich umgehend einen tadelnden Blick von Seiten des Polizeipräsidenten ein, der sichtlich geschockt den Kopf schüttelte.
Dr. Pfleger ließ sich von der flapsigen Bemerkung Tannenbergs jedoch nicht irritieren und schob unbeeindruckt nach: „Oder sagen wir besser: fast gelöst.“
Tannenberg schien erst jetzt den Satz vollständig aufgenommen zu haben, verstanden hatte er dessen Inhalt aber noch immer nicht.
„Bitte? … Ich verstehe nicht …, was sie meinen … Wie gelöst? Haben Sie etwa die Mörder gefasst?“, fragte er mit verständnislosem Gesichtsausdruck.
„Nein, wir sind der Täter noch nicht habhaft geworden, aber wir wissen, wer für die beiden Morde verantwortlich ist. Und könnten sicherlich in kürzester Zeit die Täter ergreifen. Aber gerade das wollen wir ja nicht.“
„Also, es tut mir außerordentlich Leid, werter Herr BKA-Kollege, aber ich vermag Ihren Ausführungen inhaltlich nicht zu folgen“, versuchte Tannenberg die
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